Draghi dämpft Erwartungen an EZB

Notenbankchef setzt auf Konjunkturerholung im Jahresverlauf - "OMT hat Märkte weltweit stabilisiert"

Draghi dämpft Erwartungen an EZB

ms Frankfurt – Die Europäische Zentralbank (EZB) hat Spekulationen auf weitere Zinssenkungen oder andere weit reichende Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft einen Dämpfer verpasst. EZB-Präsident Mario Draghi betonte zwar nach der gestrigen Sitzung, die EZB habe eine Vielzahl von Optionen diskutiert und sie sei falls nötig zum Handeln bereit. Zugleich erklärte er aber, die Währungshüter hätten jetzt keinen Handlungsbedarf gesehen. Zudem hält die EZB an ihrer Einschätzung fest, dass sich die Euro-Wirtschaft, die in der Rezession steckt, im Jahresverlauf erholt. Viele Optionen diskutiertZugleich signalisierte er, dass er nun vor allem die Politik am Zug sieht. Er untermauerte seine Forderungen nach Strukturreformen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und nach entschlossenen Reformen in der Eurozone. Insbesondere Fortschritte bei der Bankenunion bezeichnete er als “entscheidend”. Ferner verschärfte er seine Mahnung, nicht nachzulassen bei der Konsolidierung der Staatsfinanzen.Die EZB steht derzeit unter gewaltigem Druck vor allem von Politikern aus den Euro-Krisenländern und internationaler Organisationen, aggressiver vorzugehen. Hintergrund ist, dass die Euro-Wirtschaft seit sechs Quartalen schrumpft, während die Inflation deutlich unterhalb des EZB-Preisziels von knapp unter 2 % liegt. Die Notenbanker fürchten aber auch die Risiken einer zu lange zu lockeren Geldpolitik.Zugleich gibt es unter den Währungshütern einigen Frust, weil die Politik immer dann an Reformwillen nachzulassen scheint, wenn die EZB in die Bresche gesprungen ist und die Märkte einigermaßen beruhigt scheinen. Anfang Mai hatte die EZB ihren Leitzins auf das Rekordtief von 0,5 % gesenkt. Kurz danach gab es Signale, dass die Bankenunion und vor allem die einheitliche Bankenabwicklung weniger ambitioniert ausfällt als von der EZB erhofft.Gestern ließ die EZB ihren Leitzins – wie weitgehend erwartet – bei 0,5 %. Draghi sagte, dass diese Entscheidung im Konsens gefallen sei. Das deutet darauf hin, dass zumindest einige Notenbanker für eine weitere Lockerung votiert haben. Draghi erklärte zudem, dass die EZB eine Reihe weiterer Instrumente diskutiert habe – darunter Maßnahmen zur Ankurbelung des Markts für Kreditverbriefungen (ABS) und einen negativen Einlagezins. Letztlich sei aber die Entscheidung gewesen, sie momentan nicht einzusetzen.Draghi sagte, dass es seit der Mai-Sitzung einige zumindest leicht bessere Konjunkturdaten gegeben habe. Zudem hält die EZB an ihrer Einschätzung fest, dass sich die Euro-Wirtschaft im Jahresverlauf erholt – wenn auch “mit gedämpftem Tempo”. Ihre Wachstumsprojektion für 2013 nahm sie zwar marginal zurück (siehe Grafik). Für 2014 erhöhte sie sie aber leicht.”Solange sich die Wirtschaft wie erwartet entwickelt, sind weitere Maßnahmen unwahrscheinlich”, sagte Rob Wood, Volkswirt bei der Berenberg Bank. Eine andere Entwicklung, die die EZB zum Handeln bringen könnte, wäre laut Wood ein weiteres Absacken der Inflation. Draghi betonte gestern aber, dass die EZB derzeit keine Deflationsrisiken sehe.Anfang Mai hatte Draghi vor allem mit Aussagen zu einem negativen Einlagesatz für Aufsehen gesorgt. Banken müssten dann de facto eine Strafgebühr dafür zahlen, dass sie Geld bei der EZB bunkern. Gestern betonte Draghi, dass die EZB nun “technisch bereit” dazu sei. Man habe dafür jetzt aber “keinen Handlungsbedarf” gesehen. Zugleich verwies er erneut auf ungewollte Nebenwirkungen. Auch überzogene Erwartungen an ein ABS-Programm und die Effekte auf die Kreditvergabe an kleine und mittlere Firmen in den Krisenländern schien Draghi relativieren zu wollen.Kurz vor der Anhörung zur Euro-Rettungspolitik vor dem Bundesverfassungsgericht nächste Woche in Karlsruhe hielt Draghi ein starkes Plädoyer für das umstrittene OMT-Programm. OMT steht für die Ankündigung, im Notfall Staatsanleihen reformwilliger Euro-Länder aufzukaufen, um sie vor den Märkten zu schützen. “Das OMT ist womöglich eine der erfolgreichsten geldpolitischen Maßnahmen der jüngsten Zeit gewesen”, sagte er. Es habe nicht nur Europas Märkte, sondern die Märkte weltweit stabilisiert. Zugleich warnte er die Regierungen in Euroland aber davor, sich auf dieser entspannteren Lage auszuruhen.Mit Blick auf die Übernahme der Bankenaufsicht 2014 betonte Draghi, dass die EZB zuvor die Bilanzen der Institute in einem Test genau unter die Lupe nehmen werde. Die EZB wolle aber nicht den Fehler der EU-Stresstests 2011 wiederholen. Damals wurden sie gemacht, ohne dass klar war, woher das Kapital kommen sollte, falls sich Lücken auftun sollten. Die EZB fordert jetzt eine “explizite Zusage” der Regierungen, im Notfall den Bedarf zu decken.