Regierungskrise

Draghi soll neue Regierung bilden

Ex-EZB-Präsident Mario Draghi soll eine neue italienische Regierung bilden. Er will rasch eine Experten-Regierung zusammenstellen, um sich an die Lösung der schweren Probleme des Landes zu machen.

Draghi soll neue Regierung bilden

bl Mailand

Mario Draghi hat den Auftrag des italienischen Staatspräsident Sergio Mattarella zur Bildung einer neuen Regierung angenommen. Der frühere Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) zeigte sich zuversichtlich, eine technisch-institutionelle Regierung bilden zu können. Am heutigen Donnerstag will er Gespräche mit den Vertretern der politischen Parteien aufnehmen und rasch ein neues Kabinett zusammenstellen.

Draghi sprach von einer „schwierigen Situation“ und nannte „den Sieg über die Corona-Pandemie“, die wirtschaftliche Erholung und die Nutzung der „außerordentlichen Mittel aus dem europäischen Wiederaufbauprogramm“ als seine Prioritäten. Italien soll im Rahmen des Programms 209 Mrd. Euro in Form von Zuschüssen und günstigen Krediten erhalten. Außerdem will Draghi Reformen des Steuersystems, der Justiz und der Verwaltung auf den Weg bringen.

Er braucht dazu aber die Unterstützung der politischen Parteien. Während sich der sozialdemokratische PD und die Partei Forza Italia von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi offen für die Unterstützung einer Regierung Draghi zeigten, will Matteo Salvini, Chef der rechtspopulistischen Lega, erst einmal abwarten. Die neofaschistischen Fratelli d’Italia fordern weiterhin Neuwahlen, wollen aber keinen Bruch mit Forza Italia und Lega. Mehrere führende Politiker der 5-Sterne-Bewegung, welche die meisten Abgeordneten und Senatoren stellt, lehnen eine Regierung Draghi dagegen ab. Beobachter halten eine Spaltung der Partei für möglich.

Präsident Mattarella begründete die Wahl Draghis mit der außergewöhnlichen Dringlichkeit, in dieser für Italien schwierigen Situation schnell zu handeln. Neuwahlen will er derzeit vermeiden. Italien wäre dann monatelang ohne handlungsfähige Regierung. Es brauche jetzt eine „Regierung von hohem Profil“. Mattarella hatte letztlich keine andere Wahl als die einzige Persönlichkeit zu berufen, die in Italien parteiübergreifend respektiert wird. Weder eine Mitte-links-Regierung, noch eine Mitte-rechts-Regierung hätte derzeit eine Mehrheit im Parlament.

Roberto Fico, Präsident des Abgeordnetenhauses, hatte seine Sondierungen zur Bildung einer neuen Mitte-links-Regierung am späten Dienstagabend beendet. Vor allem der frühere Premierminister Matteo Renzi, der die Regierungskrise mit dem Rückzug der Minister seiner Kleinpartei Italia Viva vor drei Wochen ausgelöst hatte, stellte sich quer. Er sperrte sich gegen einen neuen Regierungsauftrag für den bisherigen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte. Renzi will nun Draghi unterstützen.

Die Wirtschaft reagierte positiv auf die Beauftragung Draghis, der sich am Mittwoch mit Conte und den Präsidenten von Abgeordnetenhaus und Senat traf. Die Mailänder Börse legte um 2% zu. Vor allem Bankenwerte stiegen. Der Zinsabstand zwischen deutschen und italienischen Staatsbonds mit zehnjähriger Laufzeit sank von 113 auf 105 Basispunkte.

Die Ernennung Draghis soll auch die EU-Partner beruhigen, die angesichts der anhaltenden Krise im Belpaese zunehmend besorgt waren – auch weil sie eine Verschwendung der Mittel aus dem Aufbauprogramm befürchteten. Italien ist mit einer Verschuldung von 160% des Bruttoinlandsprodukts und einer seit 20 Jahren stagnierenden Wirtschaft ein großer Risikofaktor in der EU. Der frühere EZB-Präsident wird zwar in seinem Heimatland fast wie ein Held verehrt, weil er mit seiner Politik an der Spitze der EZB, vor allem mit dem unbegrenzten Aufkauf italienischer Staatsanleihen, einen Staatsbankrott des Landes verhindert hat. In vielen anderen Ländern wird er jedoch wegen seiner laxen Geldpolitik äußerst kritisch gesehen.

Unklar ist noch, ob Draghi nur Fachleute oder auch Politiker in seine Regierung berufen wird und wie lange er auf eine Unterstützung durch eine Mehrheit im Parlament zählen kann. Technische Regierungen hatten in der Vergangenheit meist nur eine kurze Lebenszeit. Die letzte überparteiliche Regierung unter Mario Monti hielt knapp 16 Monate, von Dezember 2011 bis April 2013.