Durststrecke für die Industrie hält an

Unerwartetes Auftragsminus für deutsche Unternehmen - Weniger Großaufträge belasten

Durststrecke für die Industrie hält an

Im Dezember führen vor allem ungewöhnlich wenige Großaufträge zu einem unerwarteten Auftragsminus für die deutsche Industrie. Allerdings sorgen Nachmeldungen dieser volatilen Größe für eine Aufwärtsrevision des Novemberwertes. Die neuen Daten sind also gemischt. ba Frankfurt – Zu Jahresende haben vor allem fehlende Großaufträge dafür gesorgt, dass die deutsche Industrie unerwartet weniger Bestellungen generiert hat als im Monat zuvor. Zudem war der Rückgang der kräftigste in einem Monat seit Juni 2018. Saison-, kalender- und preisbereinigt sank der Ordereingang im Dezember im Monatsvergleich um 1,6 %, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) auf Basis vorläufiger Daten gestern mitteilte. Allerdings wurde der Vormonatswert nach oben revidiert. Wegen nachgemeldeter Großaufträge verbleibt laut Destatis von dem ursprünglich gemeldeten Rückgang von 1,0 % nur mehr ein Minus von 0,2 %. Im Jahresvergleich sanken die Bestellungen im Dezember um 7,0 %.Ökonomen hatten zwar zu Jahresschluss ein Orderplus von 0,3 % erwartet, sie konnten den Daten aber dennoch – zumindest auf den zweiten Blick – positive Seiten abgewinnen. Ralph Solveen von der Commerzbank etwa bezeichnete die Daten als “gar nicht so schlecht”, da sie stark von Sonderfaktoren beeinflusst waren. Zum einen seien da die erneut deutlich gestiegenen Pkw-Bestellungen, zum anderen habe Destatis auf “ungewöhnlich wenige Großaufträge” verwiesen. Ohne diese volatile Größe wären die Auftragseingänge um 3,5 % geklettert. Ohne diese beiden Effekte hätten sich die Bestellungen gegenüber November kaum verändert. “Von einer Belebung kann also sicherlich nicht die Rede sein, aber die heutigen Zahlen deuten wohl auch nicht auf einen Einbruch der Industriekonjunktur”, sagte Solveen. “Gedämpfte Konjunktur”Das Bundeswirtschaftsministerium erwartet angesichts der zuletzt enttäuschend ausgefallenen Stimmungsindikatoren “eine gedämpfte Industriekonjunktur zu Jahresbeginn”, zumal auch der Bestellrückgang im Dezember dafür spreche, “dass sich die Durststrecke in der Industrie zunächst fortsetzt”. Trotz der Rückgänge im November und Dezember gebe es im vierten Quartal insgesamt ein Orderplus von 0,3 %. Dass allein die Produzenten von Investitionsgütern mehr Aufträge einsammelten (+2,8 %), sei auch darauf zurückzuführen, “dass die Automobilindustrie bei der Bewältigung der WLTP-Problematik voranschreitet”, hieß es aus dem Ministerium. Im vierten Quartal hätten die Aufträge in der Kfz-Industrie um 10,2 % gegenüber dem schwachen dritten Quartal zugenommen, wogegen die meisten anderen Wirtschaftszweige weniger Bestellungen einsammelten. Das Ministerium nennt exemplarisch den Maschinenbau (-0,4 %) und die chemische Industrie (-1,9 %).Für BayernLB-Ökonom Stefan Kipar weist der positive Quartalsvergleich darauf hin, “dass zumindest kein zusätzlicher Bremseffekt auf die Produktion in den kommenden Quartalen zu erwarten ist”. Dies verdeutliche auch die weiter große Reichweite der Auftragsbestände von 5,6 Monaten. Aufträge würden also “zurzeit nicht übermäßig häufig storniert”, so Kipar. Zudem deute das Umsatzplus von 2,7 % im November auf eine bereits im Dezember gestiegene Produktion. Destatis veröffentlicht dazu am heutigen Donnerstag neue Zahlen.Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, setzt auf Nachholeffekte: So lägen nun den Autobauern die Zulassungen nach dem neuen Abgasprüfverfahren WLTP vor, “und auch die Bremsspuren des trockenen Sommers sollten jetzt ausgebügelt werden”. Und wenn die Maßnahmen der chinesischen Regierung “im weiteren Jahresverlauf Früchte tragen, dürften auch die Auftragseingänge wieder einen stärkeren Zufluss aus China sehen”. Im Dezember allerdings mahne der satte Rückgang der Auftragseingänge aus Übersee von 5,5 % zur Vorsicht. Für Gitzel zeigen die Orderdaten, “dass die Wachstumsprognosen wohl weiter nach unten revidiert werden müssen”. Dass aber die Bestellungen aus den Ländern der Eurozone um 3,2 % zulegten, ist für Carsten Brzeski, Chefvolkswirt von ING Deutschland, ein Zeichen dafür, “dass nicht alles so deprimierend für die deutsche Industrie ist”. Insgesamt ist das Auslandsgeschäft um 2,3 % zurückgegangen (siehe Grafik).