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Eduardo Cunha - der Mann, der zu viel weiß

Von Andreas Fink, Buenos Aires Börsen-Zeitung, 21.10.2016 Nichts dran. Alles Lüge, alles Trug. Die Sonderstaatsanwaltschaft wirft ihm Bestechlichkeit vor, Geldwäsche und Devisenflucht. Die Indizien sind erdrückend, es gibt Zeugenaussagen, Belege,...

Eduardo Cunha - der Mann, der zu viel weiß

Von Andreas Fink, Buenos AiresNichts dran. Alles Lüge, alles Trug. Die Sonderstaatsanwaltschaft wirft ihm Bestechlichkeit vor, Geldwäsche und Devisenflucht. Die Indizien sind erdrückend, es gibt Zeugenaussagen, Belege, Auslandskonten. Aber auch jetzt, in seiner Zelle, bleibt Eduardo Cunha auf seiner Linie: alles abstreiten, alles! Das hat er stets so praktiziert. Der studierte Ökonom aus Rios Oberschicht hatte Mut, Macht, Millionen. Und kannte intimste Details aus 13 Jahren in den Couloirs des brasilianischen Kongresses, dessen Präsident er wurde, als sich bereits schwere Gewitter über der zentralen Hochebene zusammengebraut hatten.Seit Mittwoch sitzt Cunha nun in Haft, ein Sonderflug brachte ihn nach Curitiba, wo der Richter Sérgio Moro seit zwei Jahren die Mosaiksteine des Petrobras-Schmiergeldskandals zusammensetzt. Verurteilt wurden bereits mehr als 50 Manager, nun kommen die Politiker dran: Schatzmeister, Senatoren, auch der Wahlkampfleiter von Lula und Rousseff. Die meisten Beschuldigten stammen aus deren Arbeiterpartei PT.Cunha nicht. Er gehört zur Spitze der ideologisch flexiblen PMDB, der Partei des neuen Präsidenten Michel Temer. Dieser, zum Zeitpunkt der Verhaftung auf Staatsbesuch in Japan, dürfte sich erhebliche Sorgen machen. Wie auch viele weitere Schlüsselfiguren in Brasilien: Minister, Deputierte, Senatoren, Parlamentarier. Denn Cunha weiß viel, womöglich viel zu viel. Wechselnde ÜberzeugungenAls ihm der Kongress vor einem Monat das Mandat samt Immunität entzog, gelobte er, dass er im Falle einer Verhaftung nicht von der Kronzeugenregelung Gebrauch machen wolle. Doch wie überzeugungsfest Cunha ist, zeigt eine Rückschau auf den März 2015. Da hatte der damalige Kongresspräsident ein Impeachment gegen Dilma Rousseff zunächst abgelehnt. Acht Monate später brachte er es indessen selbst auf den Weg. Aus Rache, weil Rousseff ihn nicht vor den Richtern schützen wollte.Es war ein typischer Cunha. 60 Prozesse gegen Journalisten strengte er an, seine Gegenschläge waren gefürchtet, er galt als instinktsicherer Virtuose des Kleingedruckten und der Geschäftsordnung. Er wurde Kongresspräsident, obwohl ihn keiner ausstehen konnte. Nun will ihn niemand öffentlich verteidigen.Aber ihm bleibt der Draht nach ganz oben. Cunha gab sich gern als frommer Christ und predigte im Evangeliumsrundfunk. Dabei verstand er es, Gott und Geschäft zu verbinden. Mehr als 200 Internet-Domains mit religiösen Bezügen hat er registrieren lassen. Eine davon, jesus.com, drang in die Öffentlichkeit. Auf eine Firma selbigen Namens war ein Porsche Cayenne registriert, nun fanden die Ermittler bei jesus.com verdächtige Zahlungseingänge vom Boss der Airline GOL.Wird er auch diese abstreiten wie den Besitz jener vier Konten in der Schweiz, auf denen 5 Mill. Dollar lagen, als sie die Bankenaufsicht im August des vergangenen Jahres einfror? Die Ermittler fanden heraus, dass Frau und Tochter Cunhas binnen acht Monaten 160 000 Dollar auf Shopping-Touren ausgaben. Ein anderes Konto beglich die Studiengebühren der zwei Kinder an teuren US-Unis. Ein Familienausflug nach Miami schlug mit 42 258 Dollar zu Buche.Nun froren die Richter 79 Mill. Dollar aus Cunhas Besitz ein. Allein Gott weiß, wie er das ansammeln konnte.