"Ein CO2-Preis ist kein Allheilmittel"
Die Belastung des CO2-Verbrauchs mit einer Steuer lässt sich sozialverträglich ausgestalten. Davon ist Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) auf der Basis von drei Gutachten überzeugt. Auf klimapolitische Instrumente will sie sich indessen noch nicht festlegen. Die Entscheidung falle im September. wf Berlin – “Ein CO2-Preis ist kein Allheilmittel, mit dem wir alle Klimaziele erreichen”, sagte Schulze anlässlich der Präsentation der Ergebnisse der Gutachten vor der Presse in Berlin. Zusammen mit anderen Maßnahmen sei die Steuer aber ein wichtiger Baustein zur Reduzierung des klimaschädlichen Kohlendioxids. Verbunden mit einem Klimabonus könne die Einführung einer solchen Steuer auch sozialverträglich ausgestaltet werden. Die Ergebnisse der drei Gutachten nimmt Schulze als gute Grundlage für weitere Entscheidungen. Im September werde das sogenannte Klimakabinett die Vorhaben für ein Gesetzgebungsverfahren beschließen, kündigte die Ministerin an. “Es braucht jetzt einen Wettbewerb der Ideen um das beste Modell.”Die mögliche Höhe einer Steuer ließ Schulze offen. Sie verwies auf das anstehende Gesamtpaket. Die Instrumente im Kampf gegen den Klimawandel sind in der großen Koalition noch umstritten. Weite Teile der Union lehnen die CO2-Steuer ab und setzen auf die europaweite Ausdehnung des Emissionshandels. CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer will zunächst das hierzulande bestehende System aus Energieabgaben, -steuern und Umlagen mit einem jährlichen Volumen von rund 70 Mrd. Euro durchforsten und gegebenenfalls effizienter einsetzen, bevor neue Steuern eingeführt werden. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will im Fall einer CO2-Abgabe die Stromsteuer abschaffen. Zudem setzt die Union auf Verhaltensänderung durch staatliche Anreize. Die SPD-Spitze hat ein Klimakonzept mit einer CO2-Bepreisung vorgelegt, nennt aber keine Höhe. Die Einnahmen sollen an die Bürger zurückfließen. Gutes Verhalten wird belohnt “Künftig soll gelten: Wer sich klimafreundlich verhält, wird belohnt”, sagte Schulze. Die vom Bundesumweltministerium beauftragten Gutachten stammen vom Wirtschaftsforschungsinstitut DIW in Berlin, dem gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) sowie dem Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS). Alle drei Institute kommen zu dem Ergebnis, dass allein mit einer CO2-Steuer die Klimaziele der Bundesregierung bis 2030 und die des Pariser Klimaabkommens nicht zu erreichen sind. Der klimaschädliche CO2-Ausstoß lasse sich damit nur um rund 30 % reduzieren. Alle drei Institute waren sich zudem darin einig, dass es für die Akzeptanz einer CO2-Bepreisung sinnvoll sei, mit einem geringen Preis einzusteigen und diesen in den Folgejahren sukzessive zu erhöhen. Uwe Nestle vom FÖS wies darauf hin, dass die Bevölkerung Investitionen wie die Anschaffung eines klimafreundlichen Autos oder die Dämmung der Wohnung nur längerfristig realisieren könne.Das DIW hat Modelle gerechnet, nach denen der Preis für CO2 im nächsten Jahr mit 35 Euro je ausgestoßener Tonne belastet wird und dies 2030 linear auf 180 Euro/t steigt. 2023 werden 80 Euro/t unterstellt. Damit ließe sich die Emission 2020 um rund 5 Mill. Tonnen im Vergleich zu 2017 mindern und 2023 um 10 bis 34 Mill. Tonnen gegenüber 2017 reduzieren, sagte DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert. Dies entspreche einer Spanne von 1,6 und bis 11 % der Emissionen der Sektoren Haushalte, Gewerbe, Handel, Dienstleistungen und Verkehr im Jahr 2017. Verkehrssektor und Haushalte tragen Kemfert zufolge am meisten zum Emissionsrückgang bei. Simuliert hat das DIW die Verteilungseffekte bei CO2-Preisen von 35 Euro und 80 Euro in den Jahren 2020 und 2023, kombiniert mit einem Klimabonus – der Rückerstattung von 80 Euro pro Haushalt – sowie einer Senkung von Stromsteuer und EEG-Umlage um etwa 6 Cent pro Kilowattstunde. Ohne Kompensation würden die Haushalte mit geringem Einkommen prozentual stark belastet, da ihre Energieausgaben am Einkommen relativ hoch sind. Mit dem Klimabonus würden die Mehrbelastungen laut DIW kompensiert, bei ärmeren Haushalten sogar spürbar überkompensiert (siehe Grafik). Leidtragende blieben Pendler sowie Haushalte mit schlecht isolierten Wohnungen. Für Unternehmen gebe es andere Möglichkeiten des Ausgleichs, etwa über die Kfz-Steuer. Bürokratie der Rückerstattung Unklar ist bislang, wie die Rückerstattung möglichst unbürokratisch erfolgen soll. Katja Rietzler vom IMK sieht darin eine neue Aufgabe für das Bundeszentralamt für Steuern. Die Behörde vergebe die ID-Nummern und habe bereits viele Daten gespeichert. Aktualisiert werden müssten gegebenenfalls Adressen und Kontoverbindungen. Andere Länder hätten dafür bereits Wege gefunden.