KI-Dashboard des IWF

Ein Drittel der Jobs in Industrieländern durch KI gefährdet

Rund ein Drittel der Jobs in den Industrieländern wird durch KI produktiver, ein anderes Drittel aber könnte verschwinden. Die Politik muss reagieren, fordert der IWF.

Ein Drittel der Jobs in Industrieländern durch KI gefährdet

IWF: KI gefährdet ein Drittel der Jobs

Entwickelte Volkswirtschaften digital am besten vorbereitet, aber vor Entlassungswelle – Daten von 174 Staaten

Von Stephan Lorz, Frankfurt

Rund ein Drittel der Jobs in den Industrieländern wird durch KI produktiver, ein anderes Drittel aber könnte verschwinden. In den Schwellen- und Entwicklungsländern verläuft die Entwicklung danach etwas langsamer. Die Politik muss reagieren, fordert der IWF, und den Strukturwandel besser vorbereiten.

Entwickelte Volkswirtschaften wie die westlichen Industrieländer haben zwar die besten Voraussetzungen, um mit künstlicher Intelligenz einen neuen Produktivitätsschub einzuleiten und die Wertschöpfung zu steigern. Gleichzeitig müssen sie sich aber auch auf große Schocks am Arbeitsmarkt und mehr Ungleichheit in den Gesellschaften einstellen. Das ist das Ergebnis einer Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF), welche die KI-Voraussetzungen in 174 Volkswirtschaften analysiert sowie regional und inhaltlich kartiert.

Schon seit geraumer Zeit stehen sich in der ökonomischen Debatte um KI einander widersprechende Positionen gegenüber: Die einen sehen in der KI eine der größten Errungenschaften, um die Menschen wohlhabender zu machen. Das Potenzial zur Steigerung der Produktivität bestehender Arbeitsplätze sei „enorm“. KI könnte ein ergänzendes Instrument sein und zur Schaffung neuer Jobs und sogar neuer Branchen beitragen. Die anderen sorgen sich vor diesem Hintergrund darum, dass die neuen Tools neue Entlassungswellen heraufbeschwören, weil eine höhere technische Produktivität sich zunächst eher in Jobbaubau ausdrücke. Zugleich, so ihre Einschätzung, würden somit weniger die Arbeitseinkommen von KI profitieren, sondern die Kapitaleinkommen, weil die höhere Produktivität vor allem den Unternehmen zugutekommt. In diesem Zusammenhang wird bisweilen sogar eine „Maschinensteuer“ gefordert, um den zusätzlichen Profit sozialverträglich an die Verlierer zu verteilen.

Soziale Unruhen

Auch beim IWF werden seit kurzem verstärkt die sozialen und strukturellen Herausforderungen hervorgehoben und mit einer Warnung vor sozialen Unruhen verbunden. In einem aktuellen Blogbeitrag warnt IWF-Ökonomin Giovanni Melina etwa, dass in den Industrieländern durch KI bis zu 33% aller Arbeitsplätze gefährdet sein könnten. In den Schwellenländern sind es danach nur 24%. Allerdings sind in jenen Staaten auch die Voraussetzungen für die Einführung von KI wegen der schlechteren digitalen Infrastruktur, fehlenden Humankapitals, des niedrigeren Innovationsniveaus und der unzureichenden Regulierung weniger gut. Entsprechend sind in den Ländern mit niedrigem Einkommen durch KI nur 18% der Jobs gefährdet.

Das nun vom IWF aufgelegte Dashboard, das den Vorbereitungsstand in einzelnen Staaten für die Integration von KI zeigt, soll der Politik helfen, das eigene Land zunächst besser einordnen zu können. Und es soll Lücken aufzeigen, woran noch zu arbeiten sein wird. Das Board soll zudem Hinweise geben, um politische Maßnahmen zu identifizieren, die umsetzen sind, damit „die raschen Gewinne der KI allen zugutekommen“, schreibt IWF-Ökonomin Melina.

Im besten Fall, so der IWF, könne KI die Fähigkeiten von Arbeitnehmern ergänzen, die Produktivität steigern und insgesamt neue berufliche Möglichkeiten eröffnen. Während auf der einen Seite in den fortgeschrittenen Ländern bis zu 33% der Jobs durch Wegrationalisierung gefährdet seien, könnten auf der anderen Seite etwa 30% der Jobs von KI unmittelbar profitieren. Arbeitnehmer, die sich die Technologie zunutze machten, würden möglicherweise Gehaltserhöhungen oder eine höhere Produktivität verzeichnen können. Jüngeren Arbeitnehmern könne es dabei allerdings leichter fallen, die KI-Chancen zu nutzen, während ältere Arbeitnehmer Schwierigkeiten haben könnten, sich anzupassen.

Höhere Produktivität

Mira Murati, Chief Technology Officer des KI-Konzerns OpenAI (ChatGPT) geht davon aus, dass KI zudem immer stärker auch in kreative Berufe dränge und dadurch ebenfalls Arbeitsplätze verloren gehen könnten. Einige kreative Berufe könnten sogar verschwinden, erwartet sie. Sie hält es obendrein für möglich, dass die kommende Generation von ChatGPT bis Ende 2025 oder Anfang 2026 für bestimmte Aufgaben „Intelligenz auf Doktorandenniveau“ erreichen könne, was noch mehr Jobs in den Fokus von Rationalisierungsanstrengungen bringt.

Der IWF fordert im aktuellen Blogbeitrag die politischen Entscheidungsträger in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften vor diesem Hintergrund auf, die sozialen Sicherheitsnetze auszubauen, noch mehr in die Ausbildung von Arbeitnehmern zu investieren sowie der Innovation und Integration von KI Vorrang vor anderen Aufgaben einzuräumen. In globaler Abstimmung sollten diese Länder auch die Regulierung verstärken, um die Menschen vor potenziellen Risiken und Missbrauch zu schützen und Vertrauen in KI aufzubauen. Die politische Priorität für Schwellen- und Entwicklungsländer sollte darin bestehen, eine solide Grundlage zu schaffen, indem sie in die digitale Infrastruktur und die digitale Ausbildung von Arbeitnehmern investieren.

Mehr zum Thema:

IWF sorgt sich um die soziale Stabilität

IWF-Studie zu Folgen für den Arbeitsmarkt

MIT-Ökonom Acemoglu hält Produktivitätsprognosen für überzogen

Sorge um die digitale Souveränität in Deutschland

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.