Ein großes Merci an Benoît

Von Mark Schrörs, Frankfurt Börsen-Zeitung, 19.12.2019 Der große Auftritt, die große Bühne - das ist eher nicht das, was Benoît Coeuré besonders mag oder sucht. Statt im Rampenlicht scheint sich der 50-jährige Franzose im Hintergrund wohler zu...

Ein großes Merci an Benoît

Von Mark Schrörs, FrankfurtDer große Auftritt, die große Bühne – das ist eher nicht das, was Benoît Coeuré besonders mag oder sucht. Statt im Rampenlicht scheint sich der 50-jährige Franzose im Hintergrund wohler zu fühlen, wobei er aber in internen Runden entschlossen wie einnehmend ist und immer kenntnisreich agiert, wie viele erzählen, die ihn in solchen Debatten erleben. Am Mittwoch aber kann Coeuré dem Rampenlicht gar nicht ausweichen, da steht er im absoluten Mittelpunkt: Im Turm der Europäischen Zentralbank (EZB) im Frankfurter Ostend wird sein Abschied aus dem Direktorium der Notenbank zum Jahresende gefeiert.Der große Saal im 5. Stock ist bis auf wenige Plätze restlos gefüllt, weit mehr als 200 Gäste haben sich eingefunden: Aktuelle und ehemalige EZB-Ratsmitglieder wie Bundesbankpräsident Jens Weidmann und Ex-EZB-Präsident Mario Draghi, Nicht-Euro-Notenbanker wie Fed-Gouverneurin Lael Brainard, Vertreter internationaler Organisationen wie OECD-Chefvolkswirtin Laurence Boone und viele renommierte Volkswirte wie Hélène Rey von der London Business School oder Jeremy Stein von der Harvard University. Die Gästeliste liest sich wie ein Who’s who der Zentralbankcommunity und belegt das extrem hohe Ansehen, das Coeuré weltweit genießt.Als EZB-Präsidentin Christine Lagarde zur Begrüßung die Bühne mit dem Rednerpult und den großen roten Sesseln für die Paneldiskussionen betritt, sagt sie denn auch gleich zu Beginn, dass dieses Mal niemand gekommen sei wegen der EZB oder des Themas des Abschiedskolloquiums, sondern allein “wegen Dir, Benoît”.Lagarde lobt Coeurés “Bescheidenheit”, seine “kraftvolle Führung” und die “intellektuelle Kraft”, mit der er sich viele Freunde gemacht habe. Und als Coeuré sie bei der Entwicklung des griechischen Spreads seit dem Höhepunkt der Euro-Krise aus der ersten Reihe korrigiert, scherzt sie: “Sie sehen, ich lasse mich korrigieren – aber nur von Benoît!”Lagarde erzählt, dass Coeuré als “Außenminister” der EZB in den vergangenen acht Jahren kaum ein G7-, G20-, IWF-, Ecofin- oder Eurogruppen-Treffen verpasst habe. Er sei einer der wenigen gewesen, die immer auch “nachts um 3 Uhr” noch konzentriert bei der Arbeit waren. Und sie preist Coeurés Einsatz für Vielfalt, auch im eigenen Team.Vor allem aber erinnert Lagarde an die entscheidende Rolle, die Coeuré nach der berühmten “What ever it takes”-Rede ihres Vorgängers Draghi im Jahr 2012 bei der Ausgestaltung des Anleihekaufprogramms OMT gespielt habe. “Ich werde Dich vermissen und viele werden Dich vermissen”, sagt sie am Ende – und auf Französisch: “Merci”.Auch Draghi selbst, mit dem Coeuré nahezu acht Jahren zusammengearbeitet hat und für den er einer der engsten Vertrauten war, spricht in seiner Keynote vor allem über die “Schlüsselrolle”, die Coeuré in der EZB-Geldpolitik gespielt habe. Coeuré habe auch wesentlich dazu beigetragen, die Märkte zu einem “Verbündeten” der EZB zu machen – nicht zuletzt mit den 175 Reden, die er gehalten habe.OECD-Chefvolkswirtin Boone ist es schließlich, die auch den Mensch Coeuré in den Mittelpunkt stellt – einen echten “Humanisten”, wie sie sagt. Sie erinnert daran, dass Coeuré Japanisch spricht, sie redet über seine Vorliebe für das Bergsteigen, für Zigarren, die Oper und die Kunst. Und sie zeigt sich begeistert von den vielen Büchern, die Coeuré geschrieben hat.”Ich bin mir sicher, dass Deine Produktivität noch nicht ihren Höhepunkt erreicht hat”, sagt Boone und fügt hinzu: “50 ist das neue 40.”Tatsächlich bleibt Coeuré aktiv und der Zentralbankcommunity erhalten: Ab Januar wird er bei der Zentralbank der Zentralbanken BIZ Leiter des neu gegründeten Innovation Hub. Neuerungen in der Finanztechnologie und die internationale Zusammenarbeit der Zentralbanken – das werden dann seine zentralen Themen sein.Bevor es aber so weit ist, beweist er mit seiner letzten Rede zum Abschluss des Abschiedskolloquiums noch einmal, warum er auch im EZB-Rat als intellektuelles Schwergewicht galt: Fundiert und pointiert spricht er über die Herausforderungen der Zukunft: Er spricht sich für ein Toleranzband um ein Inflationsziel von 2 % aus. Er plädiert dafür, sich weniger von den marktbasierten Inflationserwartungen abhängig zu machen. Vor allem aber regt er sogar an, digitales Zentralbankgeld direkt an die Euro-Bürger auszugeben – gegen Zinsen. “Indem er zum Kern der Entscheidungen der Verbraucher geht, wäre dieser Ansatz wahrscheinlich effektiver und schneller bei der Stimulierung von Nachfrage und Inflation, und er könnte weniger negative Nebenwirkungen haben”, sagt Coeuré.Als Coeuré endet, applaudieren die Gäste und erheben sich sogar von ihren Stühlen. Coeuré steht am Rednerpult und nestelt verlegen an den Mikrofonen – bevor er dann schnell zum Lunch in den 3. Stock einlädt.——Die EZB und die Zentralbankcommunity ehrt Benoît Coeuré , dessen Zeit bei der EZB endet.——