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Ein Handelskonflikt mit großen Risiken

Von Peter De Thier, Washington Börsen-Zeitung, 27.3.2018 Mit der Entscheidung, Strafzölle auf chinesische Importe im Wert von 60 Mrd. Dollar zu verhängen, hat US-Präsident Donald Trumps Abkehr von der Globalisierung einen vorläufigen Höhepunkt...

Ein Handelskonflikt mit großen Risiken

Von Peter De Thier, WashingtonMit der Entscheidung, Strafzölle auf chinesische Importe im Wert von 60 Mrd. Dollar zu verhängen, hat US-Präsident Donald Trumps Abkehr von der Globalisierung einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Die Meinungen, welche Folgen die US-Zölle für die chinesische Wirtschaft haben werden, gehen weit auseinander. Zweckoptimisten verweisen auf den nur geringen Anteil an Chinas Wirtschaftsleistung, den die betroffenen Exporte ausmachen. US-Handelsminister Wilbur Ross und Trumps handelspolitischer Berater Peter Navarro sind daher überzeugt, dass die konjunkturellen Folgen für das Reich der Mitte minimal sein werden. Andere warnen hingegen vor einem unausweichlichen Handelskrieg zwischen den beiden Wirtschaftsmächten. Dieser könne in einen globalen Konflikt ausarten, wenn die Unterhändler des Präsidenten der Europäischen Union (EU) nicht bis zum 1. Mai die gewünschten Zugeständnisse entlocken können und die Stahl- und Aluminiumzölle lediglich verspätet in Kraft treten. In welche Richtung der Zeiger letztlich ausschlägt, das wird vor allem von den weiteren Handlungen eines Präsidenten abhängen, bei dem Unberechenbarkeit die einzige Konstante ist. Vorrangig muss der Konflikt zwischen Washington und Peking im handelspolitischen Kontext gesehen werden. An Waren gemessen betrug das bilaterale Handelsvolumen 2017 636 Mrd. Dollar. Der Fehlbetrag, den amerikanische Exporteure gegenüber ihren Konkurrenten in China auswiesen, erreichte letztes Jahr mit 375 Mrd. Dollar den höchsten Stand aller Zeiten. Zum Vergleich: Gegenüber der EU ermittelte das US-Handelsministerium für 2017 ein Minus von 151 Mrd. Dollar – das zweitgrößte bilaterale Defizit und folglich der entscheidende Grund, warum neben China auch Europa und vor allem Deutschland bei Trump immer wieder in der Schusslinie stehen. Handelsbilanzdefizit steigt Gegenüber ihren chinesischen Konkurrenten sind die US-Exporteure immer mehr in eine Schräglage geraten, was den Argumenten des Präsidenten eine gewisse Legitimität verleiht. Vor 30 Jahren war die Warenbilanz praktisch ausgeglichen. Sie ist im Zuge der Globalisierung aber fast ununterbrochen angestiegen und macht mittlerweile fast die Hälfte des US-Gesamtdefizits aus. Irritierend ist für den US-Präsidenten ebenso wie für Ross und Navarro, dass sich der Trend zum Jahresauftakt sogar beschleunigt hat. Obwohl Schätzungen darüber, wie viele Arbeitsplätze das bilaterale Defizit und der zunehmende Diebstahl geistigen Eigentums die US-Industrie kosten, weit auseinandergehen, fallen die Zahlen fraglos ins Gewicht. Das Weiße Haus spricht von 2 Millionen verlorenen Jobs.Seitdem Trump vergangenen Donnerstag die Zölle bekannt gab, konnten weitere Zuspitzungen immerhin vermieden werden. Zwar erklärte der chinesische Botschafter in den USA, dass “wenn die US-Regierung uns einen Handelskrieg aufzwingen will, wir bis zum Ende kämpfen werden”. Chinas Vizepremier Liu He kündigte jedoch bisher lediglich 3 Mrd. Dollar an Vergeltungszöllen an. Sie treffen unter anderem amerikanisches Schweinefleisch, Obst, Wein sowie eine begrenzte Zahl von Stahl- und Aluminiumprodukten. Obwohl in den betroffenen Branchen Empörung herrscht, atmen die Entscheidungsträger in Washington auf, weil deutlich größere Industrien, beispielsweise der Flugzeughersteller Boeing vorerst verschont blieben. Für Erleichterung sorgte nun auch die Meldung, dass die US-Regierung offenbar um Entspannung bemüht ist. So hat das Weiße Haus Liu He einen Brief geschickt, in dem Gespräche angestrebt werden, die auf einen Abbau des immensen chinesischen Überschusses abzielen. Unter anderem wünschen sich Ross und Navarro, dass Einfuhrzölle für amerikanische Autos gesenkt werden. Auch soll der Marktzugang für US-Finanzdienstleister erleichtert werden und die amerikanische Halbleiterindustrie mehr im Reich der Mitte verkaufen können. Zudem plant US-Finanzminister Steve Mnuchin eine Reise nach Peking und will damit nach Angaben des Finanzministeriums auf eine konstruktive Lösung des Handelskonflikts hinarbeiten. Impulsiver PräsidentOb die jüngsten Initiativen von Erfolg gekrönt sein werden, ist natürlich alles andere als sicher. Grund ist vor allem die Impulsivität des Präsidenten, mit der er oft auch seine handelspolitischen Berater auf dem falschen Fuß erwischt. Eine Eskalation zu verhindern, sollte aber sowohl Mnuchin, Ross und Navarro als auch Trump ein zentrales Anliegen sein, denn die wirtschaftlichen Implikationen gehen weit über Arbeitsplätze und Wachstum hinaus. So hat China vergangenes Jahr Japan überholt und ist mit 1,2 Bill. Dollar an US-Anleihen wieder der größte ausländische Gläubiger der USA. Die Obligationen machen ein knappes Fünftel der über 6 Bill. Dollar an US-Staatstiteln aus, die im Ausland gehalten werden. Gefahren für die WirtschaftÖkonomen weisen darauf hin, dass Pekings Fremdwährungsreserven bereits geschrumpft sind, teilweise wegen des stärkeren Yuan und der daraus resultierenden Folgen für die Ausfuhrwirtschaft. Gleichzeitig wird die US-Nachfrage nach ausländischem Kapital angesichts der deutlich höheren Defizite, die das unabhängige Congressional Budget Office (CBO) bis 2027 voraussagt, – vorrangig wegen der von Trump forcierten Steuerreform – kräftig anziehen. Steigender Finanzierungsbedarf seitens des US-Fiskus gepaart mit einem geringeren Angebot an Ressourcen, um das obendrein auch Unternehmen ringen werden, die steuerliche Anreize für neue Investitionen nutzen wollen, könnten zu einem empfindlichen Zinsanstieg führen. Das könnte wiederum das Wachstum drücken und die US-Notenbank, die nach der letzten FOMC-Sitzung noch so optimistisch geklungen hatte, aus der Bahn werfen. Es dürfte auch der Grund sein, warum nun Mnuchin ins Geschehen eingreift. Die Gefahren für die Gesamtwirtschaft scheinen nämlich, mit der Ausnahme des Präsidenten, alle zu erkennen.