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Ein harter Sheriff für die Wall Street

Von Norbert Kuls, New York Börsen-Zeitung, 14.1.2021 Die Wall Street bekommt einen harten Sheriff. Gary Gensler, der ehemalige Chef der US-Terminbörsenaufsicht CFTC, soll nach Medienberichten neuer Vorsitzender der amerikanischen Börsenaufsicht SEC...

Ein harter Sheriff für die Wall Street

Von Norbert Kuls, New YorkDie Wall Street bekommt einen harten Sheriff. Gary Gensler, der ehemalige Chef der US-Terminbörsenaufsicht CFTC, soll nach Medienberichten neuer Vorsitzender der amerikanischen Börsenaufsicht SEC werden. Gensler hatte sich als CFTC-Chef unter der Obama-Regierung einen Ruf als aggressiver Aufseher erworben. Als Chef der Behörde prägte er das 2010 im Gefolge der Finanzkrise verabschiedete Finanzmarktreformgesetz, den Dodd-Frank Act, mit. Seine Behörde setzte die neuen Richtlinien für die bis dahin kaum regulierten Derivatemärkte danach zudem rasch und konsequent um. Außerdem verhängte die CFTC unter Gensler Milliardenstrafen gegen Banken im Zusammenhang mit der Manipulation des Referenzzinssatzes Libor.Gensler galt seit geraumer Zeit als aussichtsreicher Kandidat für den SEC-Vorsitz, weil er im Übergangsteam des künftigen US-Präsidenten Joe Biden für die Überprüfung von Finanzregulatoren zuständig ist. Als zweiter Name wurde Preet Bharara gehandelt, der 2017 von Präsident Donald Trump geschasste ehemalige New Yorker Bundesstaatsanwalt, in dessen Amtszeit zahlreiche Klagen gegen Hedgefonds wegen Insiderhandel fielen. Der von Trump nominierte SEC-Vorsitzende Jay Clayton hatte sein Amt im Dezember im Zuge des anstehenden Machtwechsels in Washington abgegeben. Eine SpitzenkarriereDer 63 Jahre alte Gensler, der vor seiner Spitzenkarriere im öffentlichen Dienst bis 1997 fast zwei Jahrzehnte für die Investmentbank Goldman Sachs tätig war, ist seit seiner Zeit bei der Terminbörsenaufsicht ein favorisierter Kandidat von Verbraucher- und Anlegerschützern. “Er war bei der CFTC außerordentlich effektiv, er kennt die Märkte so gut wie jeder andere an der Wall Street, er ist ein kluger und harter Regulierer, der weiß, wie man Dinge erledigt, und er kümmert sich um den Anlegerschutz”, lobt Barbara Roper, Direktorin für Anlegerschutz bei der Consumer Federation of America, einer einflussreichen Lobbyorganisation.Als Prioritäten für die SEC unter Gensler gelten verschärfte Offenlegungspflichten für börsennotierte Unternehmen im Zusammenhang mit Klimarisiken und politischen Spenden. Dazu dürfte das Thema Vielfalt in Verwaltungsräten adressiert werden. Die Aktienbörse Nasdaq hatte kürzlich mehr Transparenz bei Diversitätsstatistiken von Verwaltungsräten gelisteter Firmen gefordert. Dazu sollen mindestens eine Frau und ein Vertreter einer ethnischen Minderheit bzw. ein Nichtheterosexueller Sitze in den Aufsichtsgremien bekleiden.Der Weg für Gensler wurde frei, nachdem in der vergangenen Woche zwei Demokraten im Bundesstaat Georgia die Stichwahlen für den Senat gewonnen hatten. Die Demokraten erhalten damit die Kontrolle über diese Kongresskammer, die den vom Präsidenten nominierten SEC-Vorsitzenden bestätigen muss. Hätten die Republikaner ihre Mehrheit verteidigt, wäre Gensler womöglich auf heftigen Widerstand gestoßen. Verbindung zu DemokratenDenn Gensler hat seit Jahren enge Verbindungen zu den Demokraten. Er hatte Hillary Clinton bei ihren Präsidentschaftskandidaturen in den Jahren 2008 und 2016 beraten und war nach dem Sieg von Barack Obama bei den Vorwahlen auch dessen Wirtschaftsberater. Außerdem bekleidete Gensler schon unter der Regierung von Bill Clinton leitende Posten im Finanzministerium. 2002 beriet er den demokratischen US-Senator Paul Sarbanes bei den Verhandlungen über den Sarbanes-Oxley Act, das in Reaktion auf den Bilanzbetrug bei den US-Konzernen Enron und Worldcom verabschiedete Reformgesetz.Zuletzt gab Gensler an der betriebswirtschaftlichen Fakultät der Eliteuni MIT in Boston Seminare über Blockchain und digitale Währungen – auch das potenzielle Themen für schärfere Regulierung.