Ein lädierter Präsident vor hohen Hürden

Zweite Amtszeit von Barack Obama beginnt am Montag - Ausgang des Schuldenstreits wird Richtung für Wirtschaftspolitik weisen

Ein lädierter Präsident vor hohen Hürden

Von Peter De Thier, WashingtonTrotz eines deutlichen Wahlsiegs und der Rückendeckung seiner demokratischen Parteifreunde, die im Senat ihre Mehrheit sogar ausbauen konnten, geht Barack Obama als lädierter Präsident in seine zweite Amtszeit. Über 12 Millionen Amerikaner sind nach wie vor ohne Job. Im Kampf um die ausufernden Staatsschulden stellen sich die Republikaner auf die Hinterbeine. Sie drohen zudem, mehrere Kandidaten für wichtige Kabinettsposten zu blockieren, darunter den designierten Finanzminister Jack Lew. Auch könnte Obama wichtige Gesetzesinitiativen begraben müssen, noch ehe sie zur Abstimmung gelangen . Einige Posten noch unbesetztWenige Tage vor Beginn seiner zweiten Amtszeit sind einige Posten in Obamas Kabinett unbesetzt, wie etwa der des US-Innenministers. Ken Salazar, der bisherige Amtsinhaber, hat gestern seinen Rückzug aus der Regierung angekündigt. Der 57-Jährige wolle zunächst als Privatier auf seiner Ranch im US-Bundesstaat Colorado leben, zitiert die Nachrichtenagentur dpa-afx. Gestern wurde zudem bekannt, dass wohl der Sicherheitsberater Denis McDonough die Nachfolge von Lew als Stabschef Obamas antreten könnte. Die Ernennung werde in Kürze erwartet, sagten mehrere mit der Angelegenheit vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. McDonough war lange Jahre Berater Obamas in der Außenpolitik und Mitarbeiter im Präsidentschaftswahlkampf 2008. Herkulesaufgaben wartenKommenden Montag beginnt mit der feierlichen Inauguration das zwei te Kapitel in der Ära Obama. Auf den 44. US-Präsidenten warten wahrhaftige Herkulesaufgaben. Dabei wird sein dringlichstes Anliegen die Lösung eines Konflikts sein, den Regierung und Kongress viel früher hatten bewältigen wollen: Etwa 3 Wochen nach der Vereidigung wird nämlich die gesetzliche Schuldengrenze von 16,4 Bill. Dollar erreicht sein, die seit Silvester ohnehin nur dank kreativer Bilanztricks umgangen werden konnte. Können Demokraten und Republikaner sich bis dahin nicht zu einer Einigung durchringen, kommt es nicht nur zum teilweisen Stillstand des staatlichen Verwaltungsapparats. Wie aus der jüngsten Warnung der Ratingagentur Fitch hervorgeht, ließe das nächste Downgrade von US-Staatsanleihen nicht lange auf sich warten. Der fortdauernde Vertrauensverlust seitens der Anleger könnte zudem auf die Weltfinanzmärkte überschwappen und einen Kurssturz auslösen. Nicht gerade der Auftakt, den sich der alte und neue Präsident gewünscht hatte. Arbeitslosigkeit bekämpfenEin sinnvoller, konstruktiver Kompromiss wäre aber nicht nur mit Blick auf die Handlungsfähigkeit der Regierung und die Vermeidung von Marktturbulenzen wichtig. Der Ausgang des Schuldenstreits wird zugleich den Grundstein legen für Obamas weitere legislative Agenda und Aufschluss geben darüber, welche Chancen er während der kommenden vier Jahre haben wird, eine wachstumsorientierte Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik zu betreiben, die sich gleichzeitig eignet, langsam das Defizit abzubauen. Dabei erscheinen die Fronten festgefahrener denn je.Wenn sich die Kontrahenten erneut in letzter Sekunde auf einen Kompromiss verständigen, darf der Präsident hoffen, seine wirtschaftspolitischen Ziele realisieren zu können. Konkret hatte er diese bereits während des demokratischen Parteitags artikuliert: Obamas wichtigstes Anliegen ist es, 1 Million neue Jobs im produzierenden Gewerbe zu schaffen. Damit wäre zumindest ein Grundstein gelegt für einen erfolgreichen Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Zwar ist die Arbeitslosenquote von über 9 % auf 7,8 % zurückgegangen. Doch bis zu jener Marke von 6,5 %, bei der die Fed genügend Vertrauen in die Erholung hat, um ihre Nullzinspolitik zu überdenken und ihr aufgeblähtes Portfolio zu reduzieren, ist es noch ein weiter Weg.Auch will Obama durch den Ausbau der heimischen Ölförderung sowie die steuerliche Förderung alternativer Energien die Rohölimporte bis zum Ende seiner Amtszeit halbieren und die rasant steigenden Kosten der Universitätsausbildung bremsen. Ferner will der Präsident neue Handelsabkommen durchsetzen. Im Mittelpunkt der Anstrengungen sollen aufstrebende Schwellenländer im asiatisch-pazifischen Raum sowie Lateinamerika stehen. Obama will China zur Öffnung der Binnenmärkte und Flexibilisierung des Yuan überreden, wohl wissend, dass vor dem Hintergrund des amerikanischen Schuldnerstatus Washingtons Verhandlungsposition kompromittiert ist. Zudem wird der alte und neue Präsident die Entwicklung in Europa im Auge behalten. Auch in Washington herrscht Erleichterung darüber, dass die Maßnahmen zu Bekämpfung der Schuldenkrise Wirkung zeigen, doch mit Blick auf die potenziellen wirtschaftlichen Auswirkungen der Euro-Krise bleibt man in Washington misstrauisch. Kompromiss nicht in SichtDie größte Herausforderung aber wird zugleich Obamas dringendste sein. Wird in wenigen Wochen die Schuldengrenze angehoben, ist das Problem der ausufernden Staatsverschuldung allerdings längst noch nicht gelöst. Die Verschuldungsquote liegt mittlerweile bei über 100 %, und mit jährlichen Defiziten von über 1 Bill. Dollar wächst der Schuldenberg weiter. Begegnen kann Obama der Krise nur durch eine Kombination aus Steuererhöhungen und umfassenden Sparmaßnahmen. Dazu muss auch eine Reform der gesetzlichen Ausgabenprogramme zählen, gegen die sich der Präsident aber ebenso hartnäckig stemmt wie die Republikaner gegen Steuererhöhungen. Von Verhandlungs-, geschweige denn Kompromissbereitschaft ist zum Auftakt der zweiten Amtsperiode aber nichts zu sehen. Damit steht Obamas gesamte wirtschaftspolitische Agenda unter einem schlechten Vorzeichen.