Ein langer Weg zur Steuer-Mehrheitsentscheidung

EU-Finanzminister zeigen in erster Debatte wenig Begeisterung - Wettbewerbsrecht beim Ecofin im Fokus

Ein langer Weg zur Steuer-Mehrheitsentscheidung

ahe Brüssel – Die von der EU-Kommission im Januar vorgeschlagene schrittweise Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip in Steuerfragen auf europäischer Ebene stößt bei den Mitgliedstaaten noch auf starke Skepsis. Bei einer ersten Aussprache unter den EU-Finanzministern sprachen sich vor allem die kleineren Mitgliedstaaten gegen die Einführung von qualifizierten Mehrheitsentscheidungen aus. Pierre Gramegna, der Ressortchef aus Luxemburg, sagte in Brüssel, die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass man auch mit Einstimmigkeit in Steuerfragen weiterkommen könne. Zudem gehe es hier um die Kern-Souveränität der Mitgliedstaaten.Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) bezeichnete den Vorstoß der EU-Kommission dennoch als “hilfreich”. Es gebe auch im Steuerrecht einige Bereiche, in denen eine gemeinsame Verständigung weiterhelfen würde, ohne dass Fragen der nationalen Identität oder nationalen steuerlichen Praktiken davon allzu sehr berührt würden, sagte er und verwies in diesem Zusammenhang unter anderem auf die Mehrwertsteuer, die gemeinsame Bemessungsgrundlage in der Unternehmensbesteuerung sowie auf Fragen im Zusammenhang mit dem Kampf gegen Steuervermeidung.Die EU-Kommission hatte jüngst vorgeschlagen, bis 2025 schrittweise Steuer-Mehrheitsbeschlüsse einzuführen, zunächst nur im Bereich des Kampfes gegen Steuerhinterziehung und bei einer besseren Zusammenarbeit der Steuerverwaltungen. Scholz verwies in Brüssel darauf, dass es in der Debatte keinesfalls um die Einführung von europäischen Steuern gehe. Hier seien sich alle Beteiligten – auch die EU-Kommission – einig und hätten dies in der ersten Debatte auch noch einmal bekräftigt.In der Debatte im Ecofin hatten mehrere Minister auch aus eher skeptischen Ländern begrüßt, dass die Debatte um mehr Effizienz bei den Steuer-Entscheidungen jetzt geführt wird. Die rumänische EU-Ratspräsidentschaft kündigte an, weitere Debatten über das Thema in den kommenden Monaten auf die Agenda zu setzen. Auch Scholz äußerte, dass eine “vertiefte Betrachtung” notwendig sei, und verwies auf die positiven deutschen Erfahrungen im föderalen System, die anderen fehlten: In Deutschland gebe es Steuern, die bundesrechtlich geregelt seien, die aber nur den Kommunen oder Ländern zugutekämen, sagte er. Es gebe aber gute Gründe für diese einheitliche Rechtspraxis.Der schädliche Steuerwettbewerb in der EU müsse aufhören, forderte unterdessen auch Martin Schirdewan, der finanzpolitische Sprecher der Linken im EU-Parlament. Er koste die Steuerzahler mehrere 100 Mrd. Euro jährlich. Das Einstimmigkeitsprinzip sei bei Aspekten der internationalen Unternehmensbesteuerung abzuschaffen.Am Rande des Ecofin kam es zu einem weiteren Vorstoß des französischen Wirtschafts- und Finanzministers Bruno Le Maire für eine Reform der europäischen Wettbewerbsregeln. Er stellte die Forderung auf, dass der Rat künftig quasi ein Mitspracherecht in Wettbewerbsentscheidungen erhalten solle. Le Maire kündigte an, in der kommenden Woche bei einem Besuch in Berlin mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) eine gemeinsame deutsch-französische Position erarbeiten zu wollen.Die EU-Wettbewerbsregeln waren nach dem Verbot der Zug-Fusion von Siemens und Alstom in die Kritik geraten. Bundesfinanzminister Scholz verwies in Brüssel darauf, dass es in Deutschland auch das Instrument der Ministererlaubnis gebe. “Die Regeln, die heute existieren, sind vielleicht nicht diejenigen, die gut sind für die Aufgaben, die wir in den nächsten zehn bis 20 Jahren zu bewältigen haben”, sagte er. Es müsse der “globale Blick” in den heutigen Regeln geschärft werden.