Ein Neuling als Wirtschaftsministerin im Ländle
Von Isabel Gomez, StuttgartDie ganz große Überraschung ist ausgeblieben. “Es wird Sie nicht überraschen, dass ich als Ministerpräsident kandidieren werde am Donnerstag”, sagte Winfried Kretschmann (67), der neue und alte grüne Landeschef von Baden-Württemberg am Dienstag bei der Vorstellung der grün-schwarzen Ministerliste. Thomas Strobl, CDU-Landeschef und künftig Kretschmanns Stellvertreter, ergänzte: “Aus der CDU wird’s jedenfalls keinen Gegenkandidaten geben.”Bei den Koalitionsverhandlungen einigten sich die Regierungsparteien darauf, die zehn Ministerposten paritätisch aufzuteilen. Der 56-jährige Strobl wird Innenminister, wobei das Ressort um Digitalisierung und Migration aufgewertet wird, nachdem das unter Grün-Rot geschaffene Integrationsministerium aufgelöst wurde. Strobl war bereits als Vize-Fraktionschef der Union im Bundestag für Inneres zuständig.Eine Überraschung ist der CDU dennoch gelungen: Die Berufung von Nicole Hoffmeister-Kraut zur Wirtschaftsministerin hatte kein Beobachter auf dem Zettel. Die 43-jährige Wirtschaftswissenschaftlerin und dreifache Mutter trat erst 2009 in ihrem Geburtsort und Wahlkreis Balingen in die CDU ein und wurde im März erstmals in den Landtag gewählt. Erfahrung in der Wirtschaft hat Hoffmeister-Kraut allerdings: Sie ist Gesellschafterin und Aufsichtsrätin beim Balinger Waagenhersteller Bizerba, der im Besitz der Familie Kraut ist. Ihr Promotionsthema an der Universität Würzburg klingt zudem wie ein Bewerbungsschreiben als Wirtschaftsministerin für den Standort Baden-Württemberg: “Unternehmensanalyse in mittelständischen Industrieunternehmen. Konzepte – Methoden – Instrumente”. Bis 2005 war sie bei Ernst & Young im Bereich M & A als Analystin tätig.Hoffmeister-Kraut erfüllt die Voraussetzungen für das Amt offenbar nicht nur aus Sicht von Wirtschaftsvertretern besser als Guido Wolf (54). Auch der gescheiterte CDU-Spitzenkandidat war für den Posten im Gespräch, was bei Wirtschaftsverbänden auf wenig Begeisterung stieß. Wolf wird nun Justizminister, was den ehemaligen Richter offiziell nicht grämt. “In der Politik sollte man sich davon verabschieden, zu Enttäuschungen zu neigen”, sagte er zu seiner Berufung.Kultusministerin wird Susanne Eisenmann (CDU, 51), die bisher Schulbürgermeisterin in Stuttgart war, früher das Büro von Ex-Ministerpräsident Günther Oettinger leitete und doch als Freundin grüner Bildungspolitik gilt – sie stützte den Ausbau der Gemeinschaftsschulen durch die grün-rote Landesregierung gegen den Willen ihrer Partei. Das Ministerium für Ländlichen Raum übernimmt Peter Hauk (55), der das Amt auch von 2005 bis 2010 innehatte. Drei grüne Minister bleibenBei den Grünen bleibt Theresia Bauer (51) Wissenschaftsministerin. Ihr bescheinigen Freund und Feind, in den vergangenen fünf Jahren einen guten Job gemacht zu haben. Winfried Hermann (63) bleibt Verkehrsminister, wenngleich der Parteilinke der CDU ein Dorn im Auge ist. Als Kompromiss gab er die Zuständigkeit für Bauen und Wohnen ab. Franz Untersteller (59) führt weiterhin das Umweltministerium. Neu im Kabinett sind die Haushaltsexpertin Edith Sitzmann (53), die bisherige Fraktionschefin der Grünen im Landtag, und der gebürtige Bayer Manfred Lucha (55). Während mit Sitzmann als Finanzministerin eine weitere Frau ein Schlüsselministerium besetzt, wird Lucha Sozialminister.