EZB

Eine Frage des Protokolls

Die US-Fed tut es, die Bank of Japan tut es, die Bank of England tut es - und künftig könnte es auch die Europäische Zentralbank (EZB) tun: zeitnah Protokolle von ihren Sitzungen veröffentlichen. Zwar ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Aber...

Eine Frage des Protokolls

Die US-Fed tut es, die Bank of Japan tut es, die Bank of England tut es – und künftig könnte es auch die Europäische Zentralbank (EZB) tun: zeitnah Protokolle von ihren Sitzungen veröffentlichen. Zwar ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Aber nachdem sich EZB-Präsident Mario Draghi nun weit aus dem Fenster gelehnt hat, wäre alles andere eine Überraschung – und eine Schlappe für Draghi.Für die EZB würde dieser Schritt eine neuerliche Zäsur bedeuten. Lange Jahre haben sich ihre führenden Vertreter gegen eine Publikation gewehrt. Aber die Zeiten haben sich geändert und die EZB hat sich gewandelt – und damit die Anforderungen an Kommunikation und Transparenz. Deswegen wäre der Schritt richtig. Nur konsequent wäre es dann aber auch mitzuteilen, wer wie abgestimmt hat. Dennoch sollte sich niemand der Illusion hingeben, dass dann künftig keine Fragen mehr blieben. Und es bestehen durchaus Risiken.In den Anfangstagen gab es vor allem zwei Argumente gegen eine Veröffentlichung: Der EZB-Rat rang um Kompromisse und wollte mit “einer Stimme” sprechen, um sich als neue Institution nicht zuletzt gegenüber der stets begehrlichen Politik zu etablieren. Zudem wollte er verhindern, dass Regierungschefs die Zentralbanker ihrer Länder unter Druck setzen können.Nun ist es nicht so, dass die Argumente nicht mehr gelten. Aber ihre Bedeutung schwindet: Die EZB ist etabliert und respektiert. Zudem werden Streitigkeiten wie um die potenziellen Staatsanleihenkäufe längst öffentlich ausgetragen, und wo das nicht der Fall ist, schüren durchgesickerte Details aus den Sitzungen Spekulationen. Da ist es sicher besser, für Klarheit zu sorgen.Vor allem aber geht es bei der EZB längst um derart fundamentale Weichenstellungen für den Euro, dass vor allem die Bürger zu Recht mehr Transparenz einklagen und wissen wollen, wo welche Interessen im Spiel sind.Dass dann die komplette EZB-Politik offen läge und klar wäre, sollte aber niemand glauben. Zum einen würden Draghi & Co. sicher weiter Möglichkeiten finden, Dinge im Geheimen zu diskutieren, die noch nicht öffentlich werden sollen. Zudem zeigen andere Länder, dass Protokolle die Beobachter auch mal mit mehr Fragen zurücklassen.Im besten Fall hat eine Veröffentlichung eine disziplinierende Wirkung: Jeder Einzelne muss darlegen, dass sein Votum tatsächlich im besten Sinne des Euroraums als Ganzem ist. Im schlimmsten Fall vertieft sie Gräben entlang nationaler Linien in der Eurozone. Das zu verhindern, wäre dann die große Herausforderung für alle in der EZB.