Einkommen in Deutschland treiben wieder auseinander

Ökonomen des DIW und WSI legen Studien vor

Einkommen in Deutschland treiben wieder auseinander

lz Frankfurt – Die Ungleichheit bei den verfügbaren Einkommen in Deutschland ist zwar viel geringer als in den meisten anderen Industrieländern, doch ist die in den vergangenen Jahren sichtbare Annäherung inzwischen gestoppt. Das geht aus Studien des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) sowie des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung hervor.Wie das DIW ermittelte, hat sich die Kluft zwischen Arm und Reich vor allem in den Jahren 2006 bis 2010 verringert. Grund war hier vor allem die sinkende Arbeitslosigkeit. Trotz der seither weiter zurückgehenden Zahl an Jobsuchern sowie der Rekorderwerbstätigkeit ist dieser positive Trend 2011 wieder ins Stocken geraten. Zudem stellt das DIW fest, dass Menschen immer seltener den Aufstieg in eine höhere Einkommensgruppe schaffen. “Die Chance, innerhalb eines Vierteljahres dem Armutsrisiko zu entkommen”, so Markus Grabka, einer der Autoren der Studie, “ist in den vergangenen Jahren um zehn Prozentpunkte auf 46 % gesunken.”Ein Grund für die Einkommensunterschiede ist dem DIW zufolge der demografische Wandel. Denn da der Anteil der Rentner steige, wachse der Anteil jener Personen, die über kein oder wenig Einkommen verfügten, was ein Ergebnis der Agenda-Reformen sei, die einerseits zwar die Bereitstellung neuer Arbeitsplätze ermöglicht, vermehrt aber auch prekäre Beschäftigungsverhältnisse hervorgebracht hätten. Zudem nehme die Ungleichheit der Kapitaleinkünfte wieder zu, was sich durch die real sinkende Kaufkraft der unteren Einkommensgruppen und der jüngsten positiven Entwicklungen etwa auf dem Aktienmarkt einhergehend mit realen Vermögensverlusten bei traditionellen Spargeldern zuletzt eher noch verstärkt habe.Als armutsgefährdet gilt nach gängiger Definition, wer weniger als 60 % des mittleren Einkommens hat. Unter dem verfügbaren Einkommen verstehen die Forscher Löhne und Gehälter plus Kapitaleinkünfte, Renten und staatliche Hilfen wie Arbeitslosengeld abzüglich Steuern und Sozialbeiträge. Während die höchsten Einkommen danach um 13 % gewachsen sind, fielen die Einkommen in den untersten vier (von zehn) Einkommensgruppen um bis zu 5 %. Effektivlöhne gesunkenEin ähnliches Bild zeichnet die WSI-Studie. Sie stellt verstärkt auf die aus Sicht der Arbeitnehmer schlechte Lohnentwicklung in den vergangenen Jahren ab. So seien die durchschnittlichen Tariflöhne zwischen 2000 und 2012 real um insgesamt 6,8 % gestiegen. Jahresdurchschnittlich seien das aber nur “bescheidene 0,6 %”. Nehme man die nicht tariflich bezahlten Entgelte noch hinzu, so liegen die Löhne 2012 sogar um knapp 2 % niedriger als zur Jahrtausendwende. Auf dieser Basis sei es für die unteren Einkommensgruppen nahezu unmöglich, genügend Geld für die private Altersvorsorge und für Spareinlagen überhaupt zurückzulegen, kritisieren die WSI-Autoren. Entsprechend könnten diese Personengruppen auch nicht von der guten Entwicklung etwa auf dem Aktienmarkt profitieren. Das WSI fordert vor diesem Hintergrund die zügige Einführung eines Mindestlohns, ein Stopp des Lohndumpings und höhere Spitzensteuersätze für Spitzeneinkommen.