Wohnimmobilien

Energetische Sanierung ist kein Selbstläufer

Mit energetischer Sanierung von Wohnimmobilien könnte für die Umwelt viel erreicht werden. Laut einer ING-Studie ist es aber immer noch vor allem eine Frage der Finanzierbarkeit, aber auch der Anreize, warum es kaum vorwärtsgeht.

Energetische Sanierung ist kein Selbstläufer

Energetische Sanierung ist kein Selbstläufer

ING-Studie zum deutschen Wohnimmobiliensektor: Leistbarkeit ist ein Hemmschuh − EU-Kommission gibt Richtung vor

ba Frankfurt

Der Wohnimmobiliensektor bietet zwar ein enormes Potenzial, um zur grünen Transformation der Wirtschaft beizutragen − ohne Zuckerbrot und Peitsche wird es einer ING-Studie zufolge dabei aber nicht gehen. Denn etwa ein Drittel der rund 1.000 befragten Eigentümer will Maßnahmen für eine bessere Energieeffizienz seiner Wohnimmobilie nur bei einer gesetzlichen Pflicht dazu vornehmen, ein weiteres Drittel nur unter der Maßgabe hinreichend finanzieller Unterstützung, etwa Zuschüsse, Steuererleichterungen oder günstige Kredite. Für das verbleibende Drittel ist ausschlaggebend, ob das Einsparpotenzial der Sanierung hinsichtlich der Energiekosten bzw. die Wirkung im Hinblick auf Nachhaltigkeit überzeugt. Eine Analyse des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) aber zeigt, dass sich energetisches Sanieren adäquat in höheren Verkaufspreisen und Mieten niederschlägt.

Gebäude stehen für etwa 30% der deutschen CO2-Emissionen und etwa 35% des Endenergieverbrauchs. Die im April dieses Jahres von der EU-Kommission verabschiedete Novelle der EU-Gebäuderichtlinie EPBD (Energy Performance of Buildings Directive) sieht vor, dass der durchschnittliche Primärenergieverbrauch des gesamten Wohnimmobilienbestands, gemessen in kWh/m², bis zum Jahr 2030 im Vergleich zum Jahr 2020 um 16% reduziert werden soll. Sie legt außerdem fest, dass 55% der Primärenergieeinsparungen durch die Sanierung der Wohngebäude erzielt werden sollen, die zu den 43% mit der schlechtesten Energieeffizienz zählen. Das bedeutet für Deutschland, dass die durchschnittliche Energieeffizienzklasse von Wohnimmobilien auf der von A+ bis H reichenden Energieeffizienzskala von F auf E erhöht werden muss. Dies betrifft insgesamt rund 8,4 Millionen Ein-, Zwei- und Mehrfamilienhäuser.

Finanzierbarkeit ist ein Hindernis

„Ein leichtes Unterfangen dürfte das nicht werden – unter anderem, weil das Gelingen des Vorhabens Investitionen von insgesamt 350 Mrd. bis zu 1 Bill. Euro voraussetzt“, heißt es in der Studie. Würden etwa noch alle Wohnimmobilien der Energieeffizienzklassen D und E zur Ersparnis beitragen, lägen die durchschnittlichen Kosten für die grüne Sanierung in Deutschland zwischen 25.000 und 76.000 Euro je Wohnimmobilie.

Die Leistbarkeit bleibt aber ein Hemmschuh, konstatieren die ING-Experten. Während die Preise in den sanierungsrelevanten Bereichen wie Dachdeckungs-, Klempner- und Verglasungsarbeiten sowie Wärmedämm-Verbundsysteme oder Heiz- und zentrale Wassererwärmungsanlagen im dritten Quartal um je rund 50% über dem Niveau des Vergleichsquartal 2019 lagen, stiegen die Nominallöhne zwischen dem zweiten Quartal 2019 und dem gleichen Quartal in diesem Jahr um lediglich 16%. Während gleichzeitig die generelle Preissteigerung bei 20% lag.

Um den sogenannten Grünheitsgrad der deutschen Wohnimmobilien in den kommenden Jahren deutlich zu erhöhen, seien zielgerichtete, verständliche und vor allem umfangreiche Förderungen notwendig, sagen die Studienautoren. Zudem müsse sicher sein, dass diese nicht von heute auf morgen gestoppt würden.

Regulatorik sorgt für höhere Preise

2024 lagen die Objektkosten für Wohnimmobilien mit der schlechtesten Energieeffizienzklasse H im Schnitt um knapp 40% unter denen der energieeffizienten Pendants der Klasse A+. 2021 waren es 17%. „Ein schlechtes Energielabel ist also mehr und mehr zum schlagenden Verhandlungsargument für Preisnachlässe beim Immobilienkauf geworden“, betont die ING. Angesichts der hohen Finanzierungs- und Baukosten stelle sich allerdings die Frage, ob die Ersparnis, die der Kauf einer weniger energieeffizienten Immobilie gegenüber einer Wohnimmobilie mit gutem Energielabel mit sich bringt, nicht vollständig von den Renovierungskosten aufgezehrt werde.

Umgekehrt habe aber der Preisaufschlag, der für energieeffizientes Wohnen gezahlt wird, in den vergangenen Jahren deutlich zugelegt. Dieser könnte mit voranschreitend verschärfter Regulatorik noch weiter in die Höhe getrieben werden. Jeder zweite von der ING Befragte erwartet, dass sich die Erschwinglichkeit des Kaufs von energieeffizientem Wohneigentum aufgrund der bevorstehenden strengeren Vorschriften für die Energieeffizienz von Wohneigentum verschlechtern wird.

Bedarfsausweis macht Kauf und Miete teuer

Dem IfW Kiel zufolge ist eine Eigentumswohnung mit der Energieeffizienzklasse A+/A aktuell rund 650 Euro pro Quadratmeter teurer als eine vergleichbare Wohnung der Energieeffizienzklasse D/E. Bei Monatsmieten beträgt der Preisaufschlag rund 0,85 Euro pro Quadratmeter. Der hohe Preisaufschlag gilt laut IfW aber nur, wenn die Energieeffizienz mit dem sogenannten Bedarfsausweis nachgewiesen wird, beim sogenannten Verbrauchsausweis sei er deutlich niedriger.

Um die Energieeffizienzklasse von D/E auf A+/A zu verbessern, errechnet das IfW Kosten von durchschnittlich rund 700 Euro pro Quadratmeter, wenn der energetische Gebäudezustand durch den sogenannten Bedarfsausweis nachgewiesen wird, der auf der Analyse eines unabhängigen Experten beruht. Beim Verbrauchsausweis, der auf dem Energieverbrauch der vergangenen Jahre beruht und daher auch vom individuellen Heizverhalten abhängt, sind es gut 225 Euro pro Quadratmeter. Die tatsächlichen Ausgaben für Eigentümer dürften aber geringer sein, da in dieser Rechnung staatliche Zulagen für die Sanierung nicht berücksichtigt sind.

Bei Mietwohnungen der Energieeffizienzklasse A+/A steht dem Preisaufschlag von monatlich gut 0,85 Euro pro Quadratmeter im Vergleich zu D/E-Wohnungen im Fall des Bedarfsausweises eine Energiekosteneinsparung durch eine Sanierung von D/E auf A+/A von knapp 0,80 Euro pro Quadratmeter gegenüber. Mieter zahlen laut den Kieler Wirtschaftsforschern nach der energetischen Sanierung also gut 5 Cent pro Quadratmeter mehr, als sie dadurch an Kosten einsparen. Bei einem Verbrauchsausweis liegt der Aufschlag nur bei gut 0,45 Euro je Quadratmeter.

„Ökonomisch erfreulich“

„Wenn Preisprämien in etwa den Kosten bzw. Einsparungen einer energetischen Sanierung entsprechen, ist das aus ökonomischer Sicht ein erfreuliches Ergebnis“, betont IfW-Experte Steffen Zetzmann. Es bedeute, dass der Markt funktioniere und die richtigen Anreize setze. Um die Sanierungsrate bei Immobilien in Deutschland spürbar zu erhöhen, empfiehlt das IfW Kiel, dass die Politik den Bedarfsausweis als Standard etablieren sollte. Derzeit fehlten Energieausweise in der Hälfte aller Fälle.

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