Energiekonzerne begrüßen Atommüll-Gesetz

Kabinett verabschiedet Gesetzespaket - Rund 23,6 Mrd. Euro für Entsorgung - Bilaterale Verträge gefordert

Energiekonzerne begrüßen Atommüll-Gesetz

ge/cru Berlin/Düsseldorf – Das Bundeskabinett hat mehr als fünf Jahre nach dem Beschluss zum Atomausstieg ein Gesetzespaket verabschiedet, das es den vier AKW-Betreibern Eon, RWE, EnBW und Vattenfall ermöglicht, sich von den langfristigen Lasten und Risiken für die Endlagerung von Atommüll freizukaufen. Wie von der durch die Regierung eingesetzten Atomkommission empfohlen, können die Versorger gegen die Zahlung von 23,556 Mrd. Euro ihre bisherige Verantwortung für die Zwischen- und Endlagerung des schier endlos strahlenden Atommülls an den Staat übertragen. Für die Stilllegung und den Abriss der Kernkraftwerke sowie die sichere Verpackung der radioaktiven Abfälle bleiben die Unternehmen verantwortlich.Zur Finanzierung der Zwischen- und Endlagerung richtet der Bund eine Stiftung öffentlichen Rechts ein. In diesen “Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung” zahlen die AKW-Betreiber bis spätestens zum Aus des letzten AKW Ende 2022 knapp 17,4 Mrd. Euro ein, wobei ausstehende Beträge mit jährlich 4,58 % zu verzinsen sind. Dieser Milliardenbetrag entspricht den abgezinsten zukünftigen Entsorgungskosten, heißt es im Gesetzentwurf. Hinzu kommt ein Risikoaufschlag von fast 6,2 Mrd. Euro, mit dem sich die Stromkonzerne pauschal aller Verpflichtungen entledigen, wenn die Endlagerung – wie wegen der langen Laufzeiten zu erwarten – doch teurer wird als von Berlin geplant. Angesichts der hohen Milliardenbeträge können die Unternehmen Ratenzahlung vereinbaren mit einer letzten Rate bis Ende 2026 – wobei die ausstehenden Beträge dem Gesetzestext zufolge mit “mindestens 4,58 %” pro Jahr zu verzinsen sind.Die Regierung hofft, dass das Paket aus Entsorgungsübergangsgesetz, Errichtung des Fonds und Nachhaftungsgesetz bis zur Jahreswende in Kraft treten kann – vorbehaltlich der beihilferechtlichen Prüfung durch die EU-Kommission. RWE prüft RatenzahlungDie Aktienkurse von Eon und RWE reagierten in einem schwächeren Gesamtmarkt mit einem Minus von zeitweise 0,7 bzw. 0,5 %. Der Entwurf lieferte keine großen Überraschungen mehr, nachdem er Ende vergangener Woche bekannt geworden war (vgl. BZ vom 15. Oktober). Da hatten die Kurse klar positiv reagiert.Eon und RWE begrüßten die Entscheidung des Bundeskabinetts. “Damit sieht das Unternehmen die Chance, ein über Jahrzehnte kontrovers diskutiertes Thema im gesellschaftlichen Konsens zu beenden”, erklärte Eon. Damit die Konzerne dauerhaft Rechtssicherheit hätten, müsse es aber noch eine direkte Vereinbarung zwischen dem Bund und den Betreibern geben. Dies forderten auch EnBW und RWE. Nur dann hätten die Unternehmen den notwendigen Vertrauensschutz. Die Konzerne wollen damit verhindern, dass spätere Regierungen die Vereinbarungen zulasten der Versorger wieder ändern.RWE kündigte an, die Option für eine Ratenzahlung prüfen zu wollen. “Dies hängt natürlich vom Zinssatz ab und vor allem von alternativen Finanzierungsmöglichkeiten, die wir uns in den nächsten Wochen in Ruhe anschauen werden.”Zur Finanzierung könnte RWE bis zu 25 % weitere Aktien der Netztochter Innogy verkaufen, bei deren Börsengang vor zwei Wochen der Konzern 3 Mrd. Euro für 15 % der Innogy-Aktien erlöste. Zudem kann der Konzern nach eigenen Angaben auch auf einen Teil seiner Einnahmen aus dem 5 Mrd. Euro teuren Verkauf der Öl- und Gasfördertochter Dea zurückgreifen. RWE hatte ihre Kosten für die Entsorgung des Atommülls auf rund 6,7 Mrd. Euro beziffert, davon 5 Mrd. Euro aus Rückstellungen und 1,7 Mrd. Euro für den Risikoaufschlag. Eon zahlt 10 Mrd. EuroEon hatte ihren Anteil an den Kosten auf rund 10 Mrd. Euro angesetzt. Davon sollen 8 Mrd. Euro aus den gebildeten Rückstellungen gezahlt werden, hinzu kommt ein Risikoaufschlag für mögliche Kostensteigerungen von 2 Mrd. Euro. Für diesen Aufschlag erwägt der Konzern eine Kapitalerhöhung.”Wir würden aus Credit-Sicht eine vollständige Finanzierung durch eine Kapitalerhöhung begrüßen, rechnen allerdings eher mit einer Mischform und somit auch mit der Aufnahme von Fremdkapital – möglicherweise auch über Hybrids”, schreiben die Analysten der LBBW. Bei RWE sei eine Kapitalerhöhung mit Blick auf die stärkere Verwässerung kaum denkbar. Darüber hinaus sei eine Verschärfung des Sparkurses denkbar. So schließe Eon weitere Kostensenkungsmaßnahmen, Dividenden- sowie Investitionskürzungen nicht aus. Ähnliches gelte für RWE.Neben dem Atomfonds billigte das Kabinett Neuregelungen zur Kraft-Wärme-Koppelung, mit denen ein EU-Kompromiss umgesetzt wird.