Enttäuschende Debatte

Von Gesche Wüpper, Paris Börsen-Zeitung, 22.3.2017 Es war eine Premiere in der Geschichte Frankreichs, in die viele französische Beobachter große Hoffnungen gesetzt hatten: die erste von insgesamt drei Fernsehdebatten zwischen den fünf wichtigsten...

Enttäuschende Debatte

Von Gesche Wüpper, ParisEs war eine Premiere in der Geschichte Frankreichs, in die viele französische Beobachter große Hoffnungen gesetzt hatten: die erste von insgesamt drei Fernsehdebatten zwischen den fünf wichtigsten Präsidentschaftskandidaten François Fillon, Benoît Hamon, Marine Le Pen, Emmanuel Macron und Jean-Luc Mélenchon vor dem ersten Wahlgang 23. April. Da sich noch immer 40 % der Wähler nicht sicher sind, wem sie ihre Stimme geben sollen, steht für die Favoriten bei den Debatten viel auf dem Spiel. Die anderen sechs Präsidentschaftskandidaten, die jeweils gerade mal auf 1 %, maximal 2 % der Stimmen hoffen dürfen, wurden gar nicht erst eingeladen.Nachdem der Wahlkampf zuletzt vor allem durch juristische Affären und Skandale überschattet wurde, sollte es bei der vom größten Privatfernsehsender TF1 organisierten Diskussion am Montagabend endlich um Sachthemen gehen. Doch obwohl die Debatte fast dreieinhalb Stunden dauerte, wurde vieles nur sehr oberflächlich gestreift, da den Kandidaten für die Antworten zu den verschiedenen Sujets gerade mal jeweils zwei Minuten zur Verfügung standen und sie die knappe Zeit oft dafür nutzten, ihre bekannten Kernbotschaften zu wiederholen. Inhaltlich Neues gab es deshalb nicht, stattdessen eher einen kleinen Eindruck, wie die Präsidentschaftskandidaten in der direkten Konfrontation auftreten.”Welche Gesellschaft für Frankreich? Welches wirtschaftliche Modell für Frankreich? Welcher Platz für Frankreich in der Welt?”, lauteten die drei vorgegebenen Themenblöcke, die in Unterthemen unterteilt waren. Auffällig war, dass das Thema Europa so gut wie keine Rolle spielte – bis auf den von Front-National-Chefin Le Pen propagierten Euro-Ausstieg. Wirtschaftspolitische Fragen wurden erst nach anderthalb Stunden Debatte angesprochen, außenpolitische Fragen noch viel später – zu einem Zeitpunkt, als viele Zuschauer möglicherweise schon eingeschlafen waren. “Wir haben wenig von Europa gesprochen”, bedauerte denn auch Macron fünf Minuten vor Schluss.Ebenso auffällig war, dass weder die Moderatoren noch die anderen Kandidaten die juristischen Ermittlungen gegen François Fillon von den konservativen Republikanern und Le Pen offen anschnitten. Lediglich Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon stichelte gegen das “Taktgefühl” seiner Mitstreiter und kritisierte, dass sie davon gesprochen hätten, dass die Affären einiger den Wahlkampf verschmutzt hätten. “Hier sind aber nur zwei Personen, die davon betroffen sind”, mokierte er sich.Fillon wiederum räumte zwar kurz ein, er habe vielleicht Fehler gemacht. Ansonsten wirkte er über weite Strecken sehr still. Nur während der Diskussion über wirtschaftspolitische Themen schien er aufzuwachen. So verteidigte er die von ihm propagierte Sparpolitik und kritisierte Le Pen scharf: “Sie sind dabei, das Land in ein wahres wirtschaftliches und soziales Chaos hineinzureißen.” Überzeugen konnte Fillon mit seinem Auftritt jedoch nur 19 % der Zuschauer, genau wie Le Pen, wie eine Blitzumfrage von BFMTV ergab.Die Front-National-Chefin stellte erneut die “nationale Unabhängigkeit und den wirtschaftlichen Patriotismus” in Aussicht. Sie versprach, “Frankreich von der Europäischen Union zu befreien, die es hinter einem Vorhängeschloss verschließt”, und die Immigration zu stoppen.Macron, der in Umfragen gleichauf mit Le Pen liegt und 29 % der Zuschauer überzeugte, war das bevorzugte Angriffsziel seiner Konkurrenten. “Sie würden sich ohne mich langweilen”, konterte er ironisch. “Ich will die Ansichten miteinander versöhnen, da die Ängste unser Land spalten”, erklärte er. Sozialist Hamon gab sich zwar zu Beginn der Debatte angriffslustig, wirkte aber in der zweiten Hälfte, als sei er eingeschlafen. Mélenchon wiederum war der Einzige, der die Zuschauer mit seinen ironischen Aussagen mehrmals zum Lachen brachte. ——–Das Thema Europa kam in der Fernsehdiskussion der französischen Präsidentschafts- kandidaten kaum vor.——-