EU bangt um Spar- und Reformwillen

Brüssel warnt vor Rückfall in alte Gewohnheiten - Barroso: Frankreich kann Defizitziel noch schaffen

EU bangt um Spar- und Reformwillen

Die EU-Kommission hat die Vorlage ihrer wirtschaftspolitischen länderspezifischen Empfehlungen dafür genutzt, um lauter werdenden Rufen nach Aufweichung der Ziele für Defizit- und Schuldenabbau entgegenzutreten. Zugleich hat Brüssel die Ratschläge nachjustiert. Der Fokus liegt nun stärker auf wachstumsfördernden und sozial ausgewogenen Maßnahmen.fed Brüssel – EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso machte die Sorge deutlich, dass die Regierungen nach Überwindung der Rezession das Interesse daran verlieren könnten, begonnene Reformen weiterzuführen und ihre Haushalte in den Griff zu bekommen. Die zentrale Herausforderung laute: “Wie erhalten wir den Reformwillen, wenn der von der Krise ausgeübte Druck zurückgeht?” Barroso reagierte damit indirekt auf die immer lauter werdenden Forderungen vor allem aus den Ländern des Südens, es künftig weniger streng zu nehmen mit den Defizitvorgaben. Der Portugiese an der Spitze der EU-Kommission wies solche Wünsche indes ab: “Wir dürfen nicht in den Anstrengungen nachlassen, die öffentliche Verschuldung einzudämmen.” Wenn die EU-Staaten “in alte Gewohnheiten” zurückfielen, würden sie für neue Unsicherheiten sorgen. Konkret auf Frankreich angesprochen, das erhebliche Probleme hat, das Defizit bis nächstes Jahr unter die Marke von 3 % der Wirtschaftsleistung herunterzufahren, erklärte Barroso: “Wir meinen, dass das noch machbar ist.”Vor dem Hintergrund zunehmender Reformmüdigkeit und der in den Europawahlen sichtbar gewordenen Unzufriedenheit vieler Bürger bemühte sich die EU-Kommission zugleich, sich von dem Verdacht zu befreien, harte und rigorose Spardiktate vorzugeben. Sowohl Barroso als auch die EU-Kommissare Olli Rehn (Wirtschaft), László Andor (Beschäftigung) und Algirdas Semeta (Steuern) hoben hervor, dass es ihnen um wachstumsfreundliche, gerechte und sozial ausgewogene Maßnahmen gehe. Das wurde beispielsweise bei der ständig wiederkehrenden Forderung deutlich, die Arbeitskraft steuerlich zu entlasten – und dafür Abgaben auf Immobilien, Verbrauch und Umweltverschmutzung zu erheben. Voller Entschlossenheit kündigten die EU-Kommissare zudem an, Steuerhinterziehung ebenso wie aggressive Steuervermeidung bekämpfen zu wollen. Steuerkommissar Semeta warnte in diesem Zusammenhang ausdrücklich Irland, die Niederlande, Zypern und Luxemburg.Deutschland wird zwar für seine solide Haushaltsführung gelobt. Brüssel wirft Berlin wie in den Vorjahren aber vor, nicht genug für die Stärkung der Binnennachfrage zu tun. Finanzielle Folgen der Mütterrente werden ebenso problematisiert wie Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer, Fehlanreize für Zweitverdiener und die als hoch bewertete Belastung von Geringverdienern.