EUROPAWAHL 2019

EU-Binnenmarkt stärkt die Einkommen der Bürger

Studie: Industrieregionen mit starkem Export profitieren am meisten - Potenzial bei Dienstleistungen

EU-Binnenmarkt stärkt die Einkommen der Bürger

arp Frankfurt – Der europäische Binnenmarkt erleichtert nicht nur Unternehmen die Geschäfte, die EU-Bürger spüren ihn auch im Portemonnaie: allerdings je nach Land und Region unterschiedlich stark. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Bertelsmann Stiftung, die rund zwei Wochen vor der Wahl zum Europäischen Parlament veröffentlicht wurde.Die Studienautoren Giordano Mion von der University of Sussex und Dominic Ponattu von der Bertelsmann Stiftung errechneten, dass der Binnenmarkt EU-weit das Einkommen jedes Bürgers jährlich um rund 840 Euro steigert, in Deutschland sind es sogar 1 046 Euro. Hierzulande profitieren am meisten Regionen mit starker Industrie und hoher Exportorientierung, allen voran der Regierungsbezirk Oberbayern mit 1 489 Euro Einkommensgewinn pro Kopf und Jahr. Überdurchschnittlich auch die Einkommenszuwächse in Hamburg mit 1 478 Euro und im Regierungsbezirk Stuttgart mit 1 304 Euro.Legt man die Einkommensgewinne in den einzelnen Bundesländern zusammen, so führt Nordrhein-Westfalen mit 18,6 Mrd. Euro vor Bayern (15,3 Mrd. Euro) und Baden-Württemberg (13,1 Mrd. Euro). In den östlichen Bundesländern, wo es weniger exportstarke Unternehmen gibt, denen der freie Warenhandel innerhalb der EU zugutekommt, fallen die Einkommensgewinne entsprechend geringer aus. Sie betragen in Brandenburg 672 Euro pro Einwohner, in Sachsen-Anhalt sind es 692 Euro und in Mecklenburg-Vorpommern 700 Euro, errechneten die beiden Autoren. Sie hatten im März auch eine Studie vorgelegt, die die Kosten des Brexit auf die einzelnen europäischen Regionen heruntergebrochen hat (vgl. BZ vom 22. März). “Gold wert” für ÖsterreichEuropaweit macht die aktuelle Studie zwei Trends aus: Zum einen sind es nicht die größten Volkswirtschaften, die am stärksten profitieren, sondern vor allem verhältnismäßig kleine, aber exportstarke Nationen. Zum anderen sind die Einkommensgewinne in der Peripherie der EU geringer als im Zentrum. Für Länder wie die Niederlande oder Österreich ist der Binnenmarkt Gold wert, denn sie verfügen über wettbewerbsfähige Branchen, sind aber aufgrund kleiner Inlandsmärkte vom Export abhängig, wie Ponattu berichtet.Die größten Einkommensgewinne pro Einwohner und Jahr können in der EU Luxemburg (2 800 Euro) und Irland (1 900 Euro) verbuchen. Höher sind sie freilich in dem Nicht-EU-Land Schweiz (2 900 Euro). Vieles deute aber darauf hin, dass die Schweiz noch stärker profitieren würde, wenn sie im Binnenmarkt wäre und nicht nur über bilaterale Abkommen mit ihm verbunden, erläuterte Ponattu das Studienergebnis. In den südlichen EU-Staaten fallen die Zunahmen auch wegen der geringeren Wettbewerbsfähigkeit niedriger aus, so die Studienautoren. Sie liegen in Spanien bei 590 Euro, in Portugal bei 500 Euro und in Griechenland nur bei 400 Euro pro Kopf und Jahr.In Europa gehören regional industriestarke und städtisch geprägte Regionen zu den größten Profiteuren des Binnenmarktes. Aber auch die Finanzwirtschaft, die stärker harmonisiert ist als andere Dienstleistungen, ist von Bedeutung. So verzeichnet Zürich 3 590 Euro an Einkommensgewinnen pro Kopf und Jahr, gefolgt von London (2 700 Euro) und Brüssel (2 470 Euro). Grundsätzlich böten mehr gemeinsame Standards für Dienstleistungen aber noch Potenzial zur weiteren Einkommenssteigerung im Binnenmarkt. Obwohl sie 75 % der Wertschöpfung in der EU ausmachten, liege ihr Anteil an den EU-Exporten bei nur 30 %, heißt es in der Studie.