EU bunkert weiter Schutzausrüstung

Mehrere Exportbeschränkungen bleiben trotz gegenteiliger Ankündigung für weitere 30 Tage in Kraft

EU bunkert weiter Schutzausrüstung

Seit Mitte März ist der Export spezieller Schutzausrüstung aus der Europäischen Union (EU) nur mit einer Sondergenehmigung möglich. Die EU-Kommission wollte die Restriktionen nach sechs Wochen großteils auslaufen lassen – nun bleiben etliche Exportstopps in Kraft. Wirtschaftsvertreter sind irritiert.rec Frankfurt – Angesichts Dutzender neuer Handelsbarrieren zeigen sich die Welthandelsorganisation (WTO) und der Internationale Währungsfonds (IWF) besorgt über die Bemühungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Rund 80 Länder und Gebiete hätten in Reaktion auf das Virus den Export bestimmter Güter eingeschränkt, vor allem für Schutzausrüstung und medizinische Geräte, wie eine WTO-Studie ergab. An die nationalen Regierungen gerichtet, appellierten WTO-Generalsekretär Roberto Azevedo und IWF-Chefin Kristalina Georgiewa: “Was bei einem begrenzten Notfall sinnvoll sein mag, kann in einer globalen Krise großen Schaden anrichten.” Wichtige Lieferketten könnten reißen.Von diesem Appell muss sich auch die EU angesprochen fühlen. Seit Mitte März dürfen hiesige Unternehmen nur noch in Ausnahmefällen Schutzausrüstung wie Masken, Brillen und Schutzanzüge in Drittstaaten exportieren. Zur Genehmigung hat die EU-Kommission eine Clearingstelle eingerichtet. Eigentlich wollte sie die Vorschriften nun umfassend lockern. Doch jetzt sind die Exportstopps für mehrere Produkte um zunächst 30 Tage verlängert worden.Bei den Ausfuhrbeschränkungen geht es um persönliche Schutzausrüstung für Gesicht, Hände und Körper. Die EU-Kommission begründete die Restriktionen Mitte März mit “Engpässen auf dem Binnenmarkt”. Sie waren zunächst bis zum 25. April begrenzt. Mitte April ließ Brüssel wissen, eine weiterführende Genehmigungspflicht sei lediglich für Schutzmasken notwendig, “um ein angemessenes Angebot zum Schutz der Gesundheit der Europäer zu gewährleisten”. In einigen Hauptstädten sah man das offenbar anders. Neben Masken für Mund und Nase bleibt vorerst auch die Ausfuhr von Schutzbrillen und Visieren sowie von Schutzanzügen untersagt. Ausgenommen sind seit Montag Gesichtsschutzschilde und Handschuhe.Bei Wirtschaftsvertretern sorgte der Schwenk für Irritationen. “Wir bedauern, dass die Zahl der kontrollierten Güter nun doch größer ausgefallen ist als noch Mitte April angekündigt”, sagte Stefan Mair, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), der Börsen-Zeitung. Der Verband hatte vorige Woche in einem Positionspapier auf die Folgen von Exportbeschränkungen verwiesen. So werde persönliche Schutzausrüstung nicht nur in Krankenhäusern und Laboren, sondern auch in vielen Produktionsabläufen benötigt. Als Beispiele nennt der BDI die Herstellung von Medikamenten, Medizingeräten und Verbrauchsmaterial. Bei Produkten aus der Kategorie Schutzumhänge und -anzüge geht es um jährliche Exporte in Milliardenhöhe. “Diese fehlen nun auf den Weltmärkten”, sagte Mair. “Anstatt Ausfuhren zu beschränken, sollte die EU die Produktionskapazitäten von Schutzgütern, die sie selbst exportiert, weiter hochfahren.” Laut WTO war Deutschland 2019 mit einem Volumen von 136 Mrd. Dollar der weltweit bedeutendste Exporteur von Gesundheitsprodukten. Humanitäre Hilfe erlaubtDie neue Regelung gilt für 30 Tage. Sie sei “vorübergehend, gezielt, angemessen und transparent”, sagte Handelskommissar Phil Hogan. Näher äußerte sich die EU-Kommission auch auf Anfrage nicht. Der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange, verteidigte das Vorgehen. Es sei “richtig, dass wir den Zugriff auf diese Produkte nicht den finanzstärksten Akteuren am Markt überlassen, sondern Handelsströme gezielt lenken und sicherstellen, dass Schutzausrüstung bei denen ankommt, die sie am dringendsten benötigen”, sagte der SPD-Politiker. Zu einem “De-facto-Ausfuhrverbot” dürfe das aber nicht führen. So sind die Mitgliedstaaten angehalten, Ausnahmen für humanitäre Hilfe zuzulassen.