EU-Gipfel entwickelt sich zum Poker

Polen macht Vorbehalte gegen Reduzierung staatlicher Leistungen für Wanderarbeitnehmer geltend

EU-Gipfel entwickelt sich zum Poker

Das Vorhaben der EU-Regierungschefs, sich gemeinsam mit dem britischen Premier David Cameron auf einen Kompromiss über die künftige Arbeitsweise und einzelne Regelungen in der Europäischen Union zu verständigen, hat sich am Freitag als komplizierte Aufgabe erwiesen. Die EU-Regierungschefs mussten in die Verlängerung gehen.fed Brüssel – Der EU-Ratsvorsitzende Donald Tusk musste die Premiers bitten, am Abend noch einmal zusammenzutreten, und die nationalen Delegationen auffordern, ihre Hotelbuchungen bis Samstag zu verlängern. Bei Redaktionsschluss dauerten die Verhandlungen noch an.Verantwortlich dafür, dass es dieses Mal in die Nachspielzeit ging, waren vor allem vier Regierungschefs. Zum einen war da Cameron, weil er am Vormittag seinen Willen untermauert hatte, sich für britische Interessen zu streiten: “Ich werde mich nur auf eine Vereinbarung einlassen, wenn wir bekommen, was Großbritannien braucht.” Nach dieser Kampfansage war absehbar, dass er sich nicht schnell auf einen Deal einlassen konnte, sondern ein wenig Theaterdonner und Drama brauchte, um seinen Einsatz für das Vereinigte Königreich zu dokumentieren. Sich in Brüssel angemessen inszenieren musste aber auch der französische Staatspräsident François Hollande, schließlich steht er in seiner Heimat ebenfalls gehörig unter Druck seitens der Europa-Kritiker. Hollande stellte seine EU-Partner auf eine harte Geduldsprobe, als er sie am frühen Abend warten ließ, nur um an einem französischen Rundfunkinterview teilzunehmen.Zuvor hatten sich bereits zwei andere Teilnehmer des EU-Gipfels einer Verständigung in den Weg gestellt. Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras deutete an, dass er einen Deal mit den Briten aufhalten könnte, falls sich EU-Staaten entschließen sollten, ihre Grenzen zu schließen – und damit Hellas praktisch aus dem Schengen-Raum zu drängen. Diplomaten beschwichtigten allerdings, dass dies keine knallharte Veto-Drohung gewesen sei, sondern eher ein politischer Fingerzeig. Durchaus hartnäckiger habe sich zwischenzeitlich die polnische Premierministerin Beata Szydlo aufgestellt. Sie habe ihre EU-Partner mit einer späten, aber deutlichen Ablehnung von Kompromissvorschlägen für reduzierte staatliche Leistungen an Wanderarbeitnehmer überrascht. Diplomaten werteten ihre Haltung als Versuch, polnische Interessen in den Mittelpunkt zu rücken – zumal augenblicklich Tschechien den Vorsitz der vier Visegrad-Staaten innehat und häufiger im Rampenlicht steht.Was die Substanz betrifft, so berichteten Diplomaten, dass Unstimmigkeiten im Kapitel über Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit nachmittags ausgeräumt waren, nachdem die 27 EU-Partner Großbritanniens sichergestellt hatten, dass Aufgaben im Binnenmarkt weiterhin harmonisiert werden können. Kontroversen gab es indes auch abends noch über sozialpolitische Details.