EU-Kandidat Türkei darf hoffen

Flüchtlingskrise könnte Blockade der Beitrittsgespräche lösen - Zusagen an Ankara gewinnen Konturen

EU-Kandidat Türkei darf hoffen

Jahrelang stockten die Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei. Das könnte sich jetzt ändern. Denn weil die EU zur Bewältigung der Flüchtlingskrise auf eine enge Kooperation mit der Türkei angewiesen ist, haben alle 28 Regierungschefs beim EU-Gipfel den Willen bekräftigt, “den Beitrittsprozess mit neuer Energie weiterzuführen”.fed/wf Brüssel/Berlin – EU-Beamte unterstrichen nach dem EU-Gipfel, es habe Einvernehmen darüber geherrscht, “die Beziehungen nicht auf das Thema der Migration” zu reduzieren. Die Angebote des EU-Gipfels an die Türkei, das “politische und finanzielle Engagement wesentlich auszubauen”, beschränkten sich somit nicht auf die Hilfe bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise. Bundeskanzlerin Angela Merkel wollte bei ihrem Besuch am Wochenende dieses “Engagement” weiter konkretisieren. Einzelne Elemente sind bereits sichtbar, die Zugeständnisse an die Türkei gewinnen an Konturen.So ist, was die Beratungen über den EU-Beitritt angeht, die zügige Öffnung weiterer Kapitel – also die schrittweise Abarbeitung des Pflichtenhefts des Beitrittanwärters – im Gespräch, nachdem vor allem Zypern solche Fortschritte in den vergangenen Jahren verhinderte. Denkbar ist etwa die Öffnung des Kapitels über Finanz- und Geldpolitik.Parallel dazu darf die Türkei mit früheren Visaerleichterungen und der Anerkennung als sicheres Herkunftsland (und damit einer politischen Respektbezeugung seitens der EU) rechnen. Auch zeigt sich die EU gesprächsbereit, was den Wunsch nach Hilfen von 3 Mrd. Euro angeht. Entsprechend selbstbewusst präsentierte sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. “Die Sicherheit und Stabilität Europas und des Westens hängt von unserer Stabilität und Sicherheit ab, das haben sie jetzt akzeptiert”, sagte Erdogan. “Wenn es also ohne die Türkei nicht gehen kann, warum nehmt ihr die Türkei dann nicht in die EU auf?” Bundesrat billigt AsylgesetzDer Bundesrat stimmte am Freitag in Berlin dem Asyl-Reformpaket zu. Die neuen Regelungen zur Beschleunigung von Asylverfahren, zum raschen Bau von Unterkünften sowie zur schnelleren Integration der bleibenden und zügigen Abschiebung der abgelehnten Asylbewerber hatte tags zuvor der Bundestag gebilligt. Das Paket beruht auf einer Einigung zwischen Bund und Ländern über finanzielle Unterstützung für die Kommunen. Diese sind für die Unterbringung der Vielzahl von Flüchtlingen zuständig. Albanien, Serbien und Montenegro gelten künftig als sichere Herkunftsländer. Die Chancen, als Asylsuchender von dort anerkannt zu werden, sind damit gering.Die Maßnahmen können nun zum 1. November wirksam werden. Damit das Gesetzespaket den Bundesrat passieren konnte, waren Stimmen der Grünen erforderlich. In der Partei sind die Vorgaben des Gesetzes indessen sehr umstritten. Bremen, Niedersachsen und Thüringen lehnten das Paket deshalb ab. In diesen Ländern sind die Grünen an der Regierung beteiligt.