BEWEGUNG IN DEN HANDELSKONFLIKTEN

"EU muss glaubwürdige Drohkulisse aufbauen"

IfW-Chef Felbermayr: Digitalsteuer als starker Hebel

"EU muss glaubwürdige Drohkulisse aufbauen"

Gabriel Felbermayr, Chef des Instituts für Weltwirtschaft (IfW), spricht im Interview über die jüngsten Entwicklungen in den Handelskonflikten zwischen den USA, China und der EU. Ist das Teilabkommen der USA mit China eine belastbare Grundlage für weitere Friedensgespräche?Es wirkt wie ein Waffenstillstand. Nach dem, was bislang bekannt ist, wird es das Sinken der bilateralen Handelsströme nicht durchbrechen, weil Durchschnittszölle und handelspolitische Unsicherheit hoch bleiben werden. US-Zölle auf chinesische Waren sinken wohl nur um 1,7 Prozentpunkte auf nunmehr 19,3 %. Bisher sind nur geringe Zollsenkungen Chinas von 0,2 Prozentpunkten bekannt. Das Land soll aber in den nächsten zwei Jahren zusätzlich US-Güter im Umfang von 200 Mrd. Dollar kaufen. Es ist unklar, wie dies geschehen soll und ob dies weitere Zollsenkungen bedeutet. Das Handelsdefizit der USA mit China ist im vorigen Jahr deutlich gesunken. Darf Trump sich in seiner Zollpolitik bestätigt fühlen?Was die beabsichtigte Schwächung Chinas betrifft: ja. Aber in Summe wurde der Rückgang der Importe aus China durch Zunahme der Importe aus anderen Ländern weitgehend ausgeglichen. Es entwickeln sich jene Güter besonders stark, bei denen im Handel mit China die deutlichsten Rückgänge zu sehen sind: industrielle Vorprodukte, Investitionsgüter. Die Lieferanten der USA wechseln also, aber das Defizit bleibt hoch. Gegenüber der EU ist das Defizit hingegen weiter gestiegen. Kommen am Ende doch Autozölle?Das steigende Defizit bringt Europa wieder gefährlich in den Fokus. Was Autos betrifft, hat sich die Lage etwas entschärft, weil die Exporte in die USA sinken – vor allem aus Deutschland – und die Europäer mehr US-Autos importieren. Allerdings sind das neben ein paar Teslas vor allem sportliche Geländewagen (SUV) deutscher Marken, die in den USA montiert werden. Trumps Drohungen führen offensichtlich zu Produktionsverlagerungen in die USA, insofern wirkt seine Politik schon. Ob ihm das reicht, ist kaum vorhersagbar. Ob Autozölle oder der Streit um Frankreichs Digitalsteuer: Brüssel droht den USA mit Vergeltung. Die richtige Strategie?Ja. Die EU muss eine glaubwürdige Drohkulisse aufbauen und sollte Handelspolitik wieder stärker als Machtpolitik begreifen. Es ist nicht, was wir uns gewünscht haben, aber die neue weltwirtschaftliche Lage lässt Europa keine andere Wahl. Eine gemeinsam von Europa vertretene Digitalsteuer hätte ein starkes Drohpotenzial gegenüber den USA und wäre damit ein starker Hebel in Verhandlungen. Dafür müsste sich aber Europa erst einmal einig werden, ob es eine Digitalsteuer will und welche. Der Welthandel ist rückläufig. Hinterlässt der Handelskrieg bleibende Schäden?Der Welthandel entwickelt sich schwach, allerdings nicht nur zwischen Ländern, die unter einem aktuellen oder drohenden Handelskrieg leiden. Zweifel an der generellen Funktionsfähigkeit der WTO, die damit verbundene handelspolitische Unsicherheit und ein weltweit zunehmender Protektionismus belasten den Welthandel nachhaltig. Die Fragen stellte Stefan Reccius.