EU-Personalvergabe erneut vertagt

Heute neuer Verständigungsversuch - Osteuropäer und Italien gegen Timmermans als Kommissionschef

EU-Personalvergabe erneut vertagt

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich trotz eines nächtlichen Verhandlungsmarathons erneut nicht im Personalpoker verständigen können. Eine zuletzt diskutierte Lösung mit dem Sozialdemokraten Frans Timmermans als neuen EU-Kommissionschef lehnten vor allem die Visegrad-Staaten ab. ahe Brüssel/Straßburg – Die Vergabe der Top-Jobs in der EU bleibt weiter offen. Die 28 Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten vertagten ihre Beratungen hierzu ohne Ergebnis auf heute Vormittag. Ein Kompromissvorschlag, den unter anderem auch Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützt hatte, wurde insbesondere von den vier Visegrad-Staaten Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn, aber auch von Italien abgelehnt.Dieser sah vor, dass der niederländische Sozialdemokrat Frans Timmermans an die Spitze der EU-Kommission hätte rücken können. Die konservative bulgarische Weltbank-Chefin und frühere EU-Haushaltskommissarin Kristalina Georgiewa sollte demnach EU-Ratspräsidentin werden. Zudem sah das Paket den liberalen belgischen Ministerpräsidenten Charles Michel als EU-Außenbeauftragten vor. Und für den Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei (EVP), den CSU-Politiker Manfred Weber, bliebe dann noch das Präsidentenamt im Europäischen Parlament. Die liberale Spitzenkandidatin Margrethe Vestager aus Dänemark hätte demnach erste Stellvertreterin von Timmermans werden sollen.Nach Angaben des bulgarischen Ministerpräsidenten Boyko Borissow ist allerdings Weltbank-Chefin Georgiewa schon wieder aus dem Rennen. Vor allem aber gab es Widerstand gegen Timmermans, der in seiner bisherigen Funktion als Stellvertreter von Jean-Claude Juncker für die Rechtsstaatlichkeitsverfahren gegen Polen und Ungarn zuständig war. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki betonte, die EU brauche neue Gesichter, neue Ideen und eine neue Art, Konflikte zu lösen. Die künftigen Amtsträger müssten “vereinen und nicht attackieren”. Hohes Maß an Konsens nötigDas Gezanke um Timmermans trägt absurde Züge, wie der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold meinte. “Es kann nicht gegen einen Kandidaten sprechen, wenn er sich für Rechtsstaatlichkeit einsetzt.”Dennoch wurde der Sondergipfel, der bereits am Sonntagabend begonnen hatte und dann in der Nacht auf Montag für Einzelgespräche genutzt wurde, gestern Mittag vertagt. Kanzlerin Merkel betonte, man wolle ein hohes Maß an Konsens erreichen. “Wir wollen, dass diejenigen, die als Spitzenkandidaten angetreten sind, auch in der zukünftigen Kombination und Verantwortlichkeit eine Rolle spielen”, betonte sie gestern in Brüssel. Bei den Personalien sollten nach Möglichkeit keine großen Länder überstimmt werden. Solche Länder sehe sie auch in den Visegrad-Staaten. Sie wolle auch nicht, dass Deutschland überstimmt werde. Für den Posten des Kommissionspräsidenten muss bei dem Gipfel eine Einigung gefunden werden, die von mindestens 21 Staaten mitgetragen wird, die 65 % der Bevölkerung der EU repräsentieren.Merkel hatte am Rande des G20-Gipfels in Japan Vorgespräche mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron sowie den Regierungschefs der Niederlande, Mark Rutte, und Spaniens, Pedro Sánchez, geführt und damit den diskutierten Kompromiss vorbereitet.Macron, der wiederholt Weber als Kommissionschef abgelehnt hatte, erklärte nach dem Gipfel: “Unsere Glaubwürdigkeit ist tief beschädigt, mit diesen überlangen Treffen, die zu nichts führen, vermitteln wir ein Bild Europas, dem die Ernsthaftigkeit fehlt.” Auch Sánchez zeigte sich ungeduldig und betonte, das Gefühl, das überwiege, sei “Frustration, eine enorme Frustration”.Marija Kolak, Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), erklärte gestern, es sei gut, dass der Gipfel einen Moment innehalte. “Trostpreise oder Versorgungsposten liegen weder im deutschen Interesse noch im Interesse der europäischen Demokratie.” Das Amt des Parlamentspräsidenten, für das Manfred Weber im Gespräch sei, biete weder Gestaltungskraft noch legislativen Einfluss. “Das wäre in der Tat ein schwaches Ergebnis für den erfolgreichen Spitzenkandidaten und das größte Land der Eurozone.”