EU-Rechnungshof rügt Mängel am Strommarkt
Der Europäische Rechnungshof stellt der EU-Kommission ein schlechtes Zeugnis in der Energiepolitik aus. Das Bestreben, die europäischen Strommärkte enger zu vernetzen, kommt nach Auffassung der unabhängigen Prüfer viel zu langsam voran. Verbraucher in der Europäischen Union zahlen deshalb laut Rechnungshof seit Jahren höhere Strompreise als nötig.
Die Energiekrise im Zuge von Russlands Krieg gegen die Ukraine hat ein Schlaglicht auf Probleme an Europas Energiemärkten geworfen. Zwar hat sich die Lage nach wilden Preisausschlägen beruhigt. Seit Februar 2022 hatten sich die Preise für Strom und Gas zwischenzeitlich vervielfacht. Wirtschaftsvertreter sehen aber nach wie vor Nachteile im Wettbewerb mit den USA, wo Energie viel günstiger ist. Die EU-Kommission hat für März Vorschläge für eine grundlegende Reform des Strommarkts angekündigt.
Der Rechnungshof erinnert nun an ehrgeizige Pläne für einen Strom-Binnenmarkt, der ursprünglich 2014 abgeschlossen sein sollte. Das Ziel: möglichst günstige Strompreise und eine sichere Energieversorgung in der gesamten Europäischen Union. „Die ambitionierten Ziele der EU sind erfreulich und notwendig, doch könnten die Strommärkte in Europa noch viel stärker integriert werden“, sagt Mihails Kozlovs vom Europäischen Rechnungshof. „Durch die aktuelle Krise der Energie- und Lebenshaltungskosten, mit der die Bürgerinnen und Bürger konfrontiert sind, ist es für die EU noch dringlicher geworden, den Binnenmarkt für Strom zu vollenden.“
Für die Verzögerungen macht der Rechnungshof komplexe EU-Vorschriften und strukturelle Schwächen verantwortlich. Hinzu kämen Personalmangel bei der zuständigen Energieagentur ACER und mangelhafte Abstimmung mit der EU-Kommission. Endkundenpreise für Verbraucher hingen nach wie vor stark von nationalen Steuersätzen und Netzentgelten ab, anstatt durch Wettbewerb bestimmt zu werden. Weiter heißt es im Sonderbericht, gegen Marktmissbrauch und Marktmanipulation geschehe zu wenig.
Kritik regt sich zudem im EU-Parlament am Gaspreisdeckel, den EU-Kommission und Mitgliedstaaten in Zeiten hoher Energiepreise befristet vereinbart haben. Der Börsenbetreiber ICE plant nach eigenen Angaben, in Reaktion auf den Gaspreisdeckel als Ausweichmöglichkeit einen parallelen Handel in London einzurichten. Hintergrund: Bei Gaspreisen über 180 Euro am einschlägigen Handelspunkt TTF soll ein Handel in der EU nicht mehr möglich sein.
„Mit dem Gaspreis-Cap haben Mitgliedstaaten und Kommission dem Finanzstandort Europa einen Bärendienst erwiesen“, findet der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. „Wenn Gas-Futures künftig vor allem in London gehandelt werden, war der Marktkorrekturmechanismus ein Eigentor.“ Nicht die einzige Kritik: Die Marktaufsichtsbehörde ESMA ist in Sorge um die Finanzstabilität.