EU stopft Steuerschlupflöcher

Kompromiss zur Unternehmensbesteuerung besiegelt - OECD-Standards in bindendes Recht umgesetzt

EU stopft Steuerschlupflöcher

rh Brüssel – Für grenzüberschreitend tätige Unternehmen in Europa wird es schwieriger, der Besteuerung auszuweichen. Gestern haben die EU-Staaten die am vergangenen Freitag erzielte Grundsatzeinigung über eine neue Richtlinie zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken (Anti-Tax Avoidance Directive, ATAD) besiegelt. Belgien und Tschechien, deren Finanzminister wegen letzter Bedenken noch ihre Regierungen konsultieren mussten, haben die Einsprachefrist ungenutzt verstreichen lassen, womit der Gesetzgebungsprozess politisch abgeschlossen ist. Die Richtlinie soll dazu beitragen, dass Gewinne dort versteuert werden, wo sie entstehen. Hierzu will sie mit folgenden Maßnahmen den wichtigsten Steuervermeidungspraktiken einen Riegel vorschieben:- CFC-Regel: Die Regel für beherrschte ausländische Unternehmen (Controlled Foreign Companies, CFC) soll Firmen davon abhalten, Gewinne künstlich zu Töchtern in Niedrigsteuerländern zu verschieben. Beträgt die im Land der Tochter erhobene Steuer weniger als die Hälfte der Steuer, die im (EU-)Land der Mutter fällig wäre, kann das Mutterland auch gewisse Gewinne der Tochter besteuern (mit Gutschrift für bereits bezahlte Steuern). Laut einer Ausnahmeklausel wird diese CFC-Regel indes nicht auf Töchter in anderen EU- oder EWR-Staaten angewandt, die eine wesentliche wirtschaftliche Tätigkeit ausüben und damit nicht nur Briefkastenfirmen sind. Sitzt die Tochter in einem Drittstaat außerhalb des EWR, bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, ob sie diese Ausnahme anwenden oder nicht.- Wegzugsbesteuerung: Werden Vermögenswerte, die unrealisierte Gewinne enthalten, in einen anderen Staat verschoben, werden sie vor dem Transfer besteuert. Damit soll zum Beispiel verhindert werden, dass ein Pharmakonzern Entwicklungskosten für ein neues Medikament zu Hause von der Steuer absetzt und das Produkt später in einem anderen Staat mit geringer oder keiner Steuer patentieren lässt, um die Besteuerung des geistigen Eigentums zu minimieren.- Zinsschranke: Der Nettozinsbetrag, den Konzerne steuerlich absetzen können, soll maximal 30 % des Betriebsgewinns Ebitda oder 3 Mill. Euro betragen. Dies soll künstliche Kreditkonstruktionen unattraktiv machen, bei denen hochverzinsliche konzerninterne Kredite von einer Einheit in einem Tiefsteuerland (das Zinseinnahmen kaum besteuert) einer Tochter in einem Hochsteuerland (wo die Zinsen von der Steuer abgesetzt werden können) gewährt werden.- Hybride: Führt die unterschiedliche steuerliche Behandlung eines Einkommens oder einer Einheit durch zwei EU-Staaten zu einer doppelten Absetzung von Ausgaben (Steuerabzug in beiden Staaten), wird der Abzug künftig nur noch in dem Staat gewährt, in dem die Zahlung erfolgt. Führt sie dazu, dass die Ausgabe abgesetzt, das zugehörige Einkommen aber nicht besteuert wird, soll die Absetzung verweigert werden.- Allgemeine Anti-Missbrauch-Klausel: erlaubt die Aushebelung künstlicher Konstrukte zur Steuervermeidung, wenn keine der obigen Regeln greift.Die neue Richtlinie geht auf einen Vorschlag der EU-Kommission vom Januar zurück. Allerdings haben die Finanzminister eine sechste vorgeschlagene Regel, die “Switch-over-Klausel”, gestrichen. Sie sollte verhindern, dass es bei bestimmten Einkünften aus Drittstaaten zu einer doppelten Nichtbesteuerung kommt. Mit der Richtlinie setzt die EU einschlägige OECD-Standards (Beps-Empfehlungen) in bindendes Recht um. Allerdings geht sie in manchen Punkten über den aktuellen Beps-Stand hinaus. Die Mitgliedstaaten müssen die neuen Vorgaben ab 2019 (Wegzugsbesteuerung: 2020) anwenden. Staaten, die eine der Zinsschranke ebenbürtige nationale Regelung haben, können den Übergang zur Zinsschranke aufschieben, bis die OECD hierzu Mindeststandards empfiehlt, längstens bis 2024.