EZB-KLAGE ERREICHT EUGH

EuGH neigt zu Freibrief-Urteilen

Die Luxemburger Richter und die EZB

EuGH neigt zu Freibrief-Urteilen

Von Stephan Lorz, FrankfurtEine ganze Reihe von Urteilen des Europäischen Gerichtshof (EuGH) lassen den Schluss zu, dass die Luxemburger Richter den Argumenten ihrer Karlsruher Kollegen wohl nur eingeschränkt folgen werden. Erst vor wenigen Wochen haben sie eine Klage von 5 216 Personen gegen die OMT-Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) als “unzulässig” abgeschmettert.Es fehle die “unmittelbare Betroffenheit”, wurde argumentiert, da das Programm bislang noch nicht zum Einsatz gekommen sei. Außerdem fehlten noch die entsprechenden Rechtsakte der nationalen Zentralbanken. Und von Seiten der EZB gebe es nur einen “Rahmenbeschluss”. Dass das Programm auch nach ihrer eigenen Einschätzung bereits wirkt und die Märkte “beruhigt hat”, lassen sie dabei außer Acht. Gesetz umgedeutetWie großzügig die Luxemburger Richter bei der Interpretation der Gesetzesgrundlage sind, hat Ende 2012 das Urteil zur Rechtmäßigkeit des Euro-Rettungsmechanismus ESM gezeigt. Denn dabei deuteten sie das Bail-out-Verbot einfach in sein Gegenteil um. Aus dem “Nichtbeistandsgebot” in den EU-Verträgen machten sie flugs eine “Beistandsmöglichkeit”. Der EU-Vertrag, so die Argumentation, verbiete ja nicht, dass Länder einander finanzielle Unterstützung gewähren. Auch eine Direktfinanzierung des ESM über die EZB schlossen sie nicht mehr aus. Mögliche negative Auswirkungen auf die EZB-Geldpolitik seien “hinzunehmen”, hieß es. Offenbar heiligt der Zweck (die Euro-Rettung) die Mittel (Staatsfinanzierung).Zuvor hatten die Europarichter im Hinblick auf die Transparenzpflichten der EZB geurteilt. Sie stellten zwar klar, dass grundsätzlich “jeder Unionsbürger sowie jede natürliche und juristische Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedsstaat ein Recht auf Zugang zu Dokumenten der EZB” haben. Allerdings müsse die Notenbank die Herausgabe verweigern, “wenn durch deren Verbreitung der Schutz des öffentlichen Interesses beeinträchtigt würde”.Geklagt hatte die Presseagentur Bloomberg. Eine Journalistin hatte die Herausgabe zweier ihr bekannt gewordener Dokumente verlangt über Annahmen und Standpunkte von EZB-Mitarbeitern zu den Auswirkungen außerbörslicher Swap-Geschäfte Athens und deren Wirkung auf das Defizit sowie den Schuldenstand. Die EZB verweigerte dies und die Richter folgten ihrer Argumentation.Ihrerseits engten sie die Informationspflicht sogar noch weiter ein. Sie unterstellen nämlich, dass selbst Fachleute bei einer Beurteilung der Dokumente womöglich die falschen Schlüsse gezogen und die Märkte in Unruhe versetzt hätten. Auch bei Finanzakteuren, die es gewohnt seien, mit dieser Art von Dokumenten zu arbeiten, könne “nicht vernünftigerweise ausgeschlossen werden”, dass die Annahmen und Standpunkte in den Dokumenten vom März 2010 “als noch gültig angesehen worden wären”. Keine ÜberprüfungEin solcher Irrtum “hätte sich negativ auf den Zugang – insbesondere Griechenlands – zu den Finanzmärkten auswirken und damit die wirksame Steuerung der Wirtschaftspolitik Griechenlands und der Union beeinträchtigen können”. Ein Freibrief für die EZB für die Zurückhaltung von Dokumenten, weil sie im Zweifel stets Auswirkungen auf die Märkte haben. Und eine Überprüfung über die Relevanz dieser Einschätzung ist ausgeschlossen.