Konjunktur

Euro-Industrie in Hochstimmung

Die Industrie im Euroraum boomt. Der entsprechende Einkaufsmanagerindex ist im April auf ein Allzeithoch gestiegen. Allerdings bereiten Lieferengpässe doppelt Sorgen.

Euro-Industrie in Hochstimmung

ba Frankfurt

Die Industrie im Euroraum präsentiert sich im April in absoluter Hochstimmung. Produktion und Auftragseingang legten so rasant zu wie noch nie und dementsprechend stockten die Unternehmen ihre Kapazitäten auf, wie die endgültigen Daten der monatlichen Markit-Einkaufsmanagerumfrage zeigen. Dass die massiven Lieferschwierigkeiten die Preise im Re­kordtempo haben steigen lassen, nährt allerdings die Debatte über eine Rückkehr der Inflation.

Der Industrie-PMI kletterte im April um 0,4 auf 62,9 Punkte. Damit wurde zwar die Erstschätzung von 63,3 Zählern nach unten revidiert, doch ist dies immer noch der höchste je gemessene Wert seit Beginn der Umfrage im Juni 1997. Zudem notiert das Barometer den zehnten Monat in Folge über der Expansionsschwelle von 50 Punkten. Werte darüber signalisieren wirtschaftliche Expansion. Die Stimmungsaufhellung war dabei breit basiert – sämtliche von der Umfrage erfassten Industriebereiche wuchsen, allen voran der Investitions- und Vorleistungsgüterbereich. IHS-Markit-Chefvolkswirt Chris Williamson erklärt den anhaltenden Boom der Industrie mit der „ungemein beflügelten Nachfrage“, die von den Öffnungsschritten nach den Corona-Lockdowns und den immer optimistischeren Aussichten für das kommende Jahr ausgelöst worden war.

Die Stimmung hellte sich dabei in allen von der Umfrage erfassten Ländern auf, wobei die Barometer in den Niederlanden, Österreich und Italien jeweils neue Rekordhöhen erklommen. Das Barometer der deutschen Industrie sank hingegen um 0,4 auf 66,2 Punkte; es notiert damit aber auf dem zweithöchsten Stand der Geschichte (siehe Grafik).

Nur temporäres Problem

Ebenfalls quer durch die Eurozone meldeten die Industrieunternehmen allerdings, dass das Produktionswachstum von Kapazitätsengpässen gebremst wurde. „Die andauernden massiven Lieferengpässe stellen nach wie vor ein Risiko für zukünftiges Wachstum dar“, mahnte IHS-Markit-Experte Phil Smith mit Blick auf das Umfrageergebnis in Deutschland.

Laut einer vierteljährlichen Ifo-Erhebung ist vor allem die Knappheit an Vorprodukten zu einem ernsthaften Problem geworden. 45% der befragten Unternehmen berichteten im April von Engpässen – nach 18,1% im Januar und 7,5% im Oktober 2020. Das ist laut Ifo der höchste Wert seit Umfragebeginn 1991. Ende März hatte das Containerschiff „Ever Given“ tagelang den Suezkanal blockiert. Laut Ifo-Institut beklagten vor allem Hersteller von Gummi- und Kunststoffwaren (71,2%) Probleme, gefolgt von Autoherstellern und deren Zulieferern (64,7%) sowie den Produzenten von elektrischen Ausrüstungen (63,3%).

Gleichwohl erwarten Experten, dass es sich um ein temporäres Problem handelt. Der Chef des weltweit führenden Chipfertigers TSMC etwa rechnet mit einer gewissen Entspannung der Halbleiter-Engpässe in der Autobranche bis Ende Juni. Da „bei Autochips die Lieferkette lang und komplex“ sei, bedeute dies aber nicht, dass die Zeit der Knappheit in zwei Monaten überwunden sei, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters den TSMC-Chef.

Folge des Nachfrageüberhangs sind laut IHS-Markit-Chefvolkswirt Williamson auch höhere Verkaufspreise, die im April so kräftig erhöht wurden wie nie zuvor seit Umfragebeginn. Die große Frage sei nun, „wie lange dieser Preisdruck anhält und wie stark sich die höheren Verkaufspreise für Güter und Dienstleistungen auf die Verbraucherpreise niederschlagen werden“. Die Euro-Inflation ist im April auf 1,6% gestiegen, nach 1,3% im März. Das liegt weiter unterhalb des Inflationsziels der Europäischen Zentralbank (EZB) von knapp 2%. Die Euro-Hüter sehen das jüngste Anziehen der Preise aber als temporäres Phänomen und halten daher an der ultralockeren Geldpolitik fest.

Es werde zwar „auf jeden Fall noch dauern“, doch werde sich der Preisdruck mildern, da „die Unternehmen ihre Kapazitäten zur Befriedigung der enormen Nachfrage aufstocken“, betonte auch IHS-Markit-Chefvolkswirt Williamson. Der kräftige Anstieg der Beschäftigung sowie der Investitionen in Maschinen und Ausrüstungsgegenstände sei ausgesprochen erfreulich. Im April fiel der dritte Stellenaufbau in Folge so kräftig aus wie zuletzt im Februar 2018.

Einen positiveren Ausblick auf den europäischen Jobmarkt liefert auch das European Labour Market Barometer. Der Frühindikator des Europäischen Netzwerks der öffentlichen Arbeitsverwaltungen und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) stieg im April um 0,5 auf 101,2 Punkte und liegt damit deutlich über der Marke von 100 Zählern, die eine Stagnation der Entwicklung bedeutet. Erholt haben sich dabei beide Teilindikatoren – also sowohl die Entwicklung der Beschäftigung als auch der Arbeitslosigkeit. „Bei den europäischen Arbeitsmarktservices festigt sich mit Blick auf die Arbeitsmarktentwicklung ein leichter Optimismus“, erklärt IAB-Forschungsbereichsleiter Enzo Weber.

Länder nähern sich an

Zudem haben sich auch die während der Coronakrise deutlich gestiegenen Unterschiede zwischen den Ländern laut IAB wieder normalisiert. „Die Arbeitsmarktaussichten in Europa hellen sich vor allem dort auf, wo sich die Corona-Lage zuletzt verbesserte“, so Weber. Der Schlüssel für die kurzfristig positive Entwicklung am Arbeitsmarkt sei daher, die Pandemie effektiv zurückzudrängen.