Euro-Inflation macht kräftigen Satz

Teuerung springt auf 1,8 Prozent - Wirtschaftsweise Schnabel kritisiert Kurs und Kommunikation der EZB

Euro-Inflation macht kräftigen Satz

Eine stark anziehende Inflation, eine sich festigende Wirtschaft – die EZB gerät mit ihrer ultralockeren Geldpolitik immer stärker in die Kritik. Die EZB denkt aber noch nicht an eine Kehrtwende.ms Frankfurt – Nach der unerwartet deutlichen Beschleunigung der Inflation im Euroraum Ende 2016 hat die Teuerung auch Anfang 2017 erneut einen überraschend kräftigen Satz gemacht. Getrieben von den Energiepreisen legten die Preise im Januar gegenüber Vorjahr um 1,8 % zu, wie Eurostat gestern in einer Vorabschätzung mitteilte. Volkswirte hatten im Mittel nur 1,5 % erwartet. Bereits im Dezember hatte die Inflation von zuvor 0,6 % auf 1,1 % deutlich stärker zugelegt als erwartet. Die Europäische Zentralbank (EZB) strebt mittelfristig unter, aber nahe 2 % an. QE-Käufe zurückfahrenDie erneute Überraschung heizte zusammen mit guten Konjunkturdaten (siehe Berichte auf dieser Seite) sogleich die Debatte über die ultralockere Geldpolitik der EZB und vor allem über das Wertpapierkaufprogramm (Quantitative Easing, QE) an. “Angesichts des starken Anstiegs der Inflation im Euroraum sollte die EZB ihre Anleihekäufe möglichst bald schrittweise herunterfahren”, sagte die Wirtschaftsweise Isabel Schnabel der Börsen-Zeitung: “Eine Weiterführung der ultraexpansiven Geldpolitik lässt sich immer schwerer rechtfertigen, zumal sich auch das Wirtschaftswachstum und die Arbeitslosigkeit positiv entwickeln.”Die EZB, zumindest aber die breite Mehrheit im EZB-Rat, will bislang jedoch nichts wissen von einer baldigen geldpolitischen Wende und hält insbesondere an dem Beschluss vom Dezember 2016 fest, QE über März 2017 hinaus bis Dezember 2017 zu verlängern, wenn auch ab April mit einem reduzierten monatlichen Kaufvolumen von 60 Mrd. Euro statt aktuell 80 Mrd. Euro. Diese Notenbanker argumentieren vor allem, dass der aktuelle Inflationsanstieg nur temporär sei, da er von der Ölpreisentwicklung dominiert werde, und der zugrunde liegende Preisdruck weiter schwach sei. Zudem sorgen sie sich um politische Risiken. Das einflussreiche EZB-Direktoriumsmitglied Benoît Coeuré hatte bereits zum Jahreswechsel im Interview der Börsen-Zeitung gesagt, dass der EZB-Rat darauf warte, dass die Kernrate ohne Energie und Lebensmittel “deutlich über 1 %” steigt (vgl. BZ vom 31.12.2016).Allerdings dürfte auch im EZB-Rat der Streit an Schärfe gewinnen. Bereits im Dezember hatten einige Notenbanker die QE-Verlängerung nicht mitgetragen – darunter Bundesbankchef Jens Weidmann. Weidmann wie auch EZB-Direktoriumsmitglied Sabine Lautenschläger hatten zudem in den vergangenen Tagen zumindest darauf gedrungen, die Exit-Debatte bald zu beginnen (vgl. BZ vom 26. und 27. Januar).Vor allem in Deutschland kritisieren viele Ökonomen wie auch Politiker den EZB-Kurs. Die Wirtschaftsweise Schnabel nahm dabei auch die Kommunikation und Argumentation der EZB ins Visier. “Die Kerninflation ist zwar stabil. Jedoch hat die EZB die Geldpolitik in der Vergangenheit massiv gelockert, obwohl das Absinken der Inflation maßgeblich auf die fallenden Energiepreise zurückging”, sagte sie der Börsen-Zeitung. Tatsächlich hatte die EZB die ebenfalls bei 1 % stabile Kernrate heruntergespielt, als die Gesamtrate wegen des Ölpreisverfalls auf nahe oder gar unter 0 % rutschte. “Eine asymmetrische Reaktion auf fallende und steigende Energiepreise würde die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik in Frage stellen”, so Schnabel.In den nächsten Monaten könnte der Ölpreiseffekt auf die Energiepreise die Inflationsrate im Euroraum noch auf 2 % oder sogar auf Werte oberhalb von 2 % steigen lassen. Im Januar verteuerten sich Energieprodukte auf Jahressicht um 8,1 % (nach + 2,6 % im Dezember), während etwa das Plus bei Dienstleistungen von 1,3 % auf 1,2 % zurückging.Sobald dieser Ölpreiseffekt zur Jahresmitte ausläuft, dürfte sich die Teuerung aber stabilisieren oder sogar wieder etwas nachgeben. “Die heutigen Daten sind stark, sie scheinen aber kein Überdenken des geldpolitischen Set-ups nötig zu machen, das die EZB im Dezember verkündet hat”, sagte Marco Valli, Chefvolkswirt für die Eurozone bei Unicredit. Vor allem außerhalb Deutschlands findet die EZB unter Volkswirten einigen Rückhalt für ihre Politik. Die Exit-Debatte dürfte allerdings spätestens im Sommer erneut an Fahrt und an Brisanz gewinnen.