Euro-Inflation steigt unerwartet stark

Teuerung klettert auf 1,5 Prozent - Kernrate unverändert - Fester Euro treibt EZB-Granden um

Euro-Inflation steigt unerwartet stark

Die Verbraucherpreise in der Eurozone sind im August stärker gestiegen als erwartet. Die für die EZB wichtige Kerninflationsrate verharrte allerdings auf dem Vormonatsniveau. Experten rechnen weiter nicht mit einem schnellen Ausstieg der Notenbank aus ihrer expansiven Geldpolitik.jw Frankfurt – Nach schwächeren Inflationsdaten in den Vormonaten legte die Teuerung im August unerwartet von 1,3 % auf 1,5 % zu – und erreichte ihren höchsten Wert seit vier Monaten. Ökonomen hatten nur mit einer Inflationsrate von 1,4 % gerechnet. Die Teuerung liegt damit aber weiterhin unter dem mittelfristigen Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von unter, aber nahe 2 %. Zuvor waren bereits die Inflationsraten in Deutschland und Spanien stärker gestiegen als erwartet. In Deutschland kletterten die Verbraucherpreise nach europäischer Rechnung (HVPI) von 1,5 % im Juli auf 1,8 % im August. In Spanien machte der HVPI einen Satz von 1,7 % auf 2,0 %. Auch Italien meldete gestern einen unerwartet deutlichen Anstieg der Teuerung von 1,2 % auf 1,4 %.Maßgeblich für den Anstieg der Euro-Inflation war vor allem die Energie. Sie verteuerte sich mit 4,0 % weit stärker als im Juli mit 2,2 %. Dienstleistungen waren im Vergleich zum Vorjahresmonat 1,6 % teurer und Lebensmittel 1,4 %. Die Kernrate, ohne die volatilen Preise für Energie und Lebensmittel, stagnierte bei 1,2 %. Einen weiteren Anstieg der Kernrate erwarten die meisten Experten nicht. Christoph Weil, Volkswirt der Commerzbank, argumentiert im Gegenteil: “Sollte sich die jüngste Aufwertung des Euro als nachhaltig erweisen, könnte die Rate sogar wieder unter 1 % fallen.” Nach Schätzungen der EZB senkt ein um 5 % höherer Außenwert des Euro die Kernteuerungsrate auf Sicht von zwölf Monaten um 0,15 Prozentpunkte. Eine Trendwende bei der Inflation sieht der Ökonom nicht, dazu sei der Lohnauftrieb weiter zu gering. “Blick in den Rückspiegel”Auch andere Bankökonomen sehen keine großen Auswirkungen des Inflationsanstiegs im August auf die Geldpolitik der EZB. “Die aktuelle Inflationszahl ist ein Blick in den Rückspiegel”, sagte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Vielmehr dürfte die jüngste Aufwertung des Euro eine größere Rolle für die EZB spielen, denn sie dämpfe den Inflationsausblick. Seit Jahresbeginn hat der Euro zum Dollar etwa 13 % zugelegt. Importierte Güter werden durch den starken Euro billiger, Exporte aus dem Währungsraum aber teurer, was die Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Firmen schwächt. Experten sehen die EZB in einer Zwickmühle. Einerseits möchte sie die monatlichen Anleihekäufe reduzieren, andererseits bleibt die Inflationsentwicklung weiter schwach. Manche erwarten, dass die Inflationsprognosen durch einen stärkeren Euro sogar noch gesenkt werden könnten.Das Protokoll der EZB-Ratssitzung vom Juli zeigte, dass einige Notenbanker über eine möglicherweise zu starke Aufwertung des Euro besorgt waren. Die Nachrichtenagentur Reuters meldete nun gestern, dass einer steigenden Zahl von Währungshütern in der EZB der starke Kursanstieg des Euro Kopfschmerzen bereite. Dies könne dazu führen, dass die Euro-Notenbank ihre Anleihenkäufe womöglich langsamer herunterfahre, sagten demnach drei mit der Diskussion vertraute Personen. “Der starke Anstieg des Euro führt bereits zu einer geldpolitischen Straffung und entspricht einem Anstieg der Zinsen”, sagte einer der Insider. Die Spekulationen über eine Fortsetzung der lockeren Geldpolitik ließen den Euro gestern vorrübergehend abwerten. “Die Kursreaktion des Euro zeigt, wie empfänglich der Markt für solche Nachrichten ist”, sagte Helaba-Analystin Viola Julien. Entscheidung im HerbstDer EZB-Rat kommt nächsten Donnerstag zu seiner ersten geldpolitischen Sitzung nach der Sommerpause zusammen. Im Herbst will die EZB entscheiden, wie es vor allem mit den Anleihekäufen (Quantitative Easing, QE) weitergeht. Als wahrscheinlichster Termin erscheint momentan die Sitzung am 26. Oktober. Bislang sind die Käufe von aktuell 60 Mrd. Euro monatlich bis Ende 2017 angesetzt. Angesichts der Konjunkturerholung und des soliden Wachstums in der Eurozone gehen die meisten Experten davon aus, dass die Notenbank im Herbst ein Abschmelzen des Volumens der monatlichen Käufe ab Januar 2018 beschließen wird.