Euro-Kerninflation zieht stark an
Die Europäische Zentralbank (EZB) feuert aus allen Rohren, um die Inflation in Euroland anzukurbeln. Bislang bleibt ihr der große Erfolg versagt – allerdings legt zumindest die Kernrate zu.ms Frankfurt – Während der Anstieg der Verbraucherpreise im Euroraum im Juli bei nur 0,2 % verharrt hat, hat die sogenannte Kernrate ohne Energie und Lebensmittel einen überraschenden Sprung von 0,8 % auf 1,0 % gemacht. Wie aus der am Freitag veröffentlichten Schnellschätzung der EU-Statistikbehörde Eurostat hervorgeht, wurde die Gesamtrate im Juli vor allem von den auf Jahressicht erneut stark verbilligten Energiepreisen gedrückt. Die Kernrate legte dagegen wegen anziehender Preise für Dienstleistungen und Industriegüter (ohne Energie) zu.Der Anstieg der Kernrate, die vielen als besserer Gradmesser für den zugrundeliegenden Preisdruck gilt, dürfte die Debatte um erneut drohende Deflationsgefahren etwas dämpfen – auch wenn sich die Gesamtrate nicht entscheidend von der Nulllinie entfernen kann. Zugleich spricht aber wenig für einen rasanten Anstieg der Preise in naher Zukunft, zumal die Arbeitslosigkeit weiter hoch ist (siehe Bericht auf dieser Seite).Bei der Europäischen Zentralbank (EZB) dürften die neuen Daten für ein wenig Erleichterung sorgen. Allerdings werden die Euro-Hüter aber wohl weiter keinen Grund sehen, etwas an ihren Anleihekäufen (Quantitative Easing, QE) zu ändern. Seit März kauft das Eurosystem aus EZB und nationalen Zentralbanken für monatlich rund 60 Mrd. Euro vor allem Staatsanleihen. Das Programm soll bis mindestens September 2016 laufen. Es soll die wirtschaftliche Aktivität und die Inflation ankurbeln.Die Gesamtinflationsrate liegt mit den von Volkswirten erwarteten 0,2 % weiter deutlich unterhalb der knapp 2 %, die die EZB mittelfristig anstrebt. Zumindest aber verzeichnet sie damit den dritten Monat in Folge mit positiven Werten. Ende 2014 war die Inflationsrate erstmals seit der Weltwirtschaftskrise 2009 unter 0 % gerutscht. Ursache war zwar der dramatische Ölpreisverfall in der zweiten Jahreshälfte. Trotzdem hatte es Deflationssorgen geschürt und die EZB zu QE veranlasst.Der erneute Ölpreisrückgang in den vergangenen Wochen hat nun auch die Juli-Rate wesentlich gedrückt. Auf Jahressicht verbilligte sich Energie um 5,6 %. Im Juni hatte das Minus nur bei 5,1 % gelegen, im Mai gar bei nur 4,8 %. Zudem verteuerten sich Lebensmittel nur noch um 0,9 % – nach 1,1 % im Juni.Die Kernrate legte dagegen zu, weil sich auf Jahressicht der Preisauftrieb bei Dienstleistungen von 1,1 % im Juni auf 1,2 % im Juli und bei Industriegütern (ohne Energie) von 0,3 % auf 0,5 % beschleunigte. Statt 1,0 % hatten Beobachter für Juli einen unveränderten Wert von 0,8 % erwartet. In ihrem jüngsten Wirtschaftsbericht hatte auch die EZB die Bedeutung der Kerninflation hervorgehoben, indem sie analysiert hat, ob bei dem Maß der Wendepunkt erreicht sei. Sie hatte sich aber zurückhaltend geäußert (vgl. BZ vom 28. Juli).Da die erste Inflationsschätzung nur wenige Teilkomponenten zeigt, ist ein Urteil über den Sprung bei der Kernrate schwierig. Im Plus bei den Industriegütern (ohne Energie) dürfte sich die Euro-Abwertung niederschlagen – was vorerst anhalten sollte. Bei den Dienstleistungen kann es aber auch Sondereffekte gegeben haben, die zeitweise sind. Deswegen ist nicht ausgeschlossen, dass die Kernrate im August wieder ein wenig niedriger liegt. Das Tief von 0,6 % im März und April scheint aber erst einmal in weiter Ferne zu liegen. Gegen einen weiteren starken Anstieg der Kernrate auf kurze Sicht spricht vor allem der geringe Lohndruck infolge der hohen Arbeitslosigkeit. Wahrscheinlicher scheint ein allmählicher Anstieg der Kernrate.