Euro-Wirtschaft hat das Gröbste hinter sich

Einkaufsmanagerindex nähert sich im Juni Wachstumsschwelle an - Ifo: Wiederaufstieg wird sich ziehen

Euro-Wirtschaft hat das Gröbste hinter sich

rec Frankfurt – Die Eurozone hat in der Coronakrise wirtschaftlich das Gröbste fürs Erste hinter sich. Gleichwohl ist der Weg zurück auf den vorherigen Wachstumspfad weit und mit hoher Unsicherheit behaftet. Darauf deutet zum einen der am Freitag veröffentlichte finale Einkaufsmanagerindex für die Eurozone hin, den das Analysehaus IHS Markit im Vergleich zur Erstschätzung nach oben revidierte. Zugleich mahnt das Ifo-Institut in Kooperation mit der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich, dass der einsetzende konjunkturelle Wiederaufstieg einige Zeit in Anspruch nehmen dürfte. Absturz im FrühjahrDamit verdichten sich die Anzeichen, dass die Eurozone sich nach einem mutmaßlich zweistelligen Absturz im zweiten Quartal infolge des Corona-Stillstands von Mitte März bis in den Juni allmählich berappelt. Zuvor hatte bereits die EU-Kommission von einem Stimmungsaufschwung bei Unternehmen und privaten Haushalten berichtet. Ihr monatlich erhobener Economic Sentiment Indicator (ESI) stieg im Juni um 8,2 auf 75,7 Punkte, so stark wie nie. Trotzdem mahnen Beobachter zur Vorsicht, schließlich befinden sich ESI wie PMI nach wie vor im rezessiven Bereich.Der Dienstleistungen und Industrie zusammenfassende Einkaufsmanagerindex (PMI) Composite hat sich im Juni einen weiteren deutlichen Schritt vom Allzeittief von 13,6 Punkten im April abgesetzt und steht nun bei 48,5 Zählern. Volkswirte hatten mit einer Bestätigung der Erstschätzung gerechnet. Das war nach der Wende im Mai der zweitstärkste Zuwachs seit Beginn der Erhebungen vor 22 Jahren, wie IHS Markit berichtete. Nach 31,9 Punkten im Vormonat nähert sich der Index somit wieder der wichtigen Schwelle von 50 Punkten an. Werte darüber deuten darauf hin, dass die Wirtschaft im Euroraum wächst. Dabei geht es in beiden Sektoren nahezu im Gleichschritt aufwärts: Bei den Diensten standen um einen Zähler nach oben revidierte 48,3 Punkte zu Buche, wobei die unerwartet kräftige Erholung in Spanien mit 55,6 Punkten hervorstach. Auch die Stimmung in der Industrie hat sich mit leicht nach oben korrigierten 47,4 Punkten aufgehellt (vgl. BZ vom 2. Juli). “Trotz des dynamischen Arbeitsbeginns nach den Covid-19-bedingten Geschäftsschließungen bleiben wir allerdings vorsichtig, wie stark der Aufschwung nach einer anfänglichen Belebung auf längere Sicht ausfallen dürfte”, schränkte IHS-Markit-Chefvolkswirt Chris Williamson ein. Er verwies auf eine schwächelnde Nachfrage und Zurückhaltung von Unternehmen bei Investitionen und Neueinstellungen. Viele Unternehmen seien “noch weit von einer Rückkehr zur Normalität entfernt”.Entsprechend vorsichtig geben sich die Experten des Ifo-Instituts und der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich. In ihrer Gemeinschaftsprognose, an der das italienische Statistikamt Istat diesmal nicht beteiligt war, veranschlagen sie für das abgelaufene Quartal einen Einbruch des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 12,3 %. Zwischen Januar und März war die Wirtschaftsleistung laut Statistikamt Eurostat um 3,6 % geschrumpft. Im dritten Quartal wird das BIP in der Eurozone demnach um 8,3 % zulegen, im vierten um weitere 2,8 %. “Das ergibt aber für das Gesamtjahr ein Schrumpfen aller produzierten Güter und Dienstleistungen um 8,1 %”, hieß es. Das wäre am oberen Rand dessen, was die Europäische Zentralbank (EZB) für die Eurozone veranschlagt. Die Notenbank hält gegenwärtig ein Minus zwischen 8 und 12 % für wahrscheinlich. Inflation fällt wohl unter nullAuch die Warnungen mancher Euro-Hüter vor einer Deflation, also einer Abwärtsspirale aus fallenden Preisen und Wachstumsschwäche, erhalten durch die Gemeinschaftsprognose Nahrung. Laut Ifo und KOF ist damit zu rechnen, dass die Preise im Euroraum im dritten Quartal um 0,9 % sinken. Ein Übriges tut die temporäre Mehrwertsteuersenkung in Deutschland, die Berechnungen des Statistischen Bundesamts zufolge die Inflation um bis zu 1,6 % drücken könnte. Laut Ifo und KOF ist im letzten Quartal mit einem geringfügigen Plus von 0,3 % zu rechnen. Diese Aussichten dürften die in der Krise nochmals gelockerte Geldpolitik der EZB mit ausgeweiteten Anleihekäufen und negativem Einlagezins zementieren. Für den EZB-Rat könnte es sogar Anlass sein, abermals nachzulegen, wie etliche Beobachter erwarten.