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Eurogruppen-Chef kurz vor dem Absprung

Von Andreas Heitker, Brüssel, und Thilo Schäfer, Madrid Börsen-Zeitung, 9.5.2020 In der Eurogruppe verdichten sich die Anzeichen, dass Präsident Mario Centeno sein Amt im Juli aufgeben wird. Wie aus dem Rat der EU-Mitgliedsländer zu hören war, will...

Eurogruppen-Chef kurz vor dem Absprung

Von Andreas Heitker, Brüssel, und Thilo Schäfer, MadridIn der Eurogruppe verdichten sich die Anzeichen, dass Präsident Mario Centeno sein Amt im Juli aufgeben wird. Wie aus dem Rat der EU-Mitgliedsländer zu hören war, will der Portugiese auf eine zweite Amtszeit verzichten. Dies hatte zuvor auch schon die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” berichtet.Centeno selbst ließ seine Zukunft nach der Eurogruppen-Videokonferenz am Freitag erneut offen. Er verwies darauf, dass dies erst bis spätestens Juli entschieden werden müsse. Derzeit gebe es in der Eurogruppe viel andere Arbeit und darauf liege aktuell sein einziger Fokus, sagte er. Gemischte BilanzAus Kreisen der Eurogruppe hieß es, eine endgültige Entscheidung sei noch nicht gefallen. Auch in der kommenden Woche werde Centeno nichts zu dem Thema sagen. Die Eurogruppe trifft sich am nächsten Freitag erneut.Das zweieinhalbjährige Mandat des Ökonomen endet am 13. Juli. Sollte er dann wirklich als Präsident aufhören, müsste eine Nachfolgesuche möglichst noch im Mai eingeleitet werden, damit den Euro-Staaten ausreichend Zeit zur Meinungsbildung bleibt. Die Spekulationen über Centeno gibt es bereits seit Anfang des Jahres. Bereits damals hieß es, der 53-Jährige werde möglicherweise das Finanzministerium in Lissabon verlassen und zur portugiesischen Zentralbank zurückkehren. Für die hatte Centeno in der Vergangenheit bereits 13 Jahre lang gearbeitet. Centeno wurden gute Chancen zugeschrieben, neuer Gouverneur der portugiesischen Notenbank zu werden.Der dreifache Familienvater war 2015 als Unabhängiger ins portugiesische Parlament eingezogen und hatte sich dort der Parlamentariergruppe des Partido Socialista (PS) angeschlossen. Seit November 2015 ist er Finanzminister. Im Januar 2018 hatte Centeno den Vorsitz in der Eurogruppe vom Niederländer Jeroen Dijsselbloem übernommen.Die bisherige Bilanz des Portugiesen fällt sehr gemischt aus. Zwar gelangen unter seiner Führung einige wichtige Vereinbarungen, wie etwa das große Griechenland-Paket im Sommer 2018 oder die Verständigungen zu Reformen der Eurozonen-Architektur im Dezember 2018. Centeno galt allerdings stets als führungsschwach und als jemand, dem es immer weniger gelang, Kompromisse zwischen den divergierenden Interessen innerhalb der Eurogruppe auszuloten. Die Folge waren immer wieder Endlossitzungen bis tief in die Nacht. Im Grundsatz bereits beschlossene Reformen, wie etwa zum Eurorettungsfonds ESM, kamen – wenn überhaupt – nur im Schneckentempo voran.Und auch wenn Centenos Abschied noch nicht offiziell ist: Die Spekulationen über seine Nachfolge gibt es in Brüssel bereits seit Januar. Genannt wird seither wiederholt unter anderem der irische Finanzminister Paschal Donohoe. Bis heute gilt allerdings immer noch die spanische Wirtschaftsministerin Nadia Calviño als die große Favoritin.Sie war in ihrer spanischen Heimat nur Insidern bekannt, als Ministerpräsident Pedro Sánchez sie im Juni 2018 zur Ministerin machte. Ihre Rolle war ähnlich wie die des konservativen Vorgängers Luis de Guindos, nämlich Spaniens Wirtschaftspolitik im Ausland und vor allem in Brüssel zu vertreten. Die Finanzministerin María Jesús Montero war dagegen innenpolitisch das größere Gewicht. Spanische FavoritinDank ihrer langen Zeit bei der Kommission, wo Calviño den Eindruck einer hochkompetenten und äußerst teamfähigen Führungskraft hinterlassen hat, konnte sie für Spanien eine gewisse Lockerung der Defizitvorgaben herausholen.Als Sánchez im Januar eine Koalition mit dem Linksbündnis Unidas Podemos eingehen musste, beförderte er seine Wirtschaftsministerin, die auch für die Digitalisierung zuständig ist, auf den Rang einer von vier stellvertretenden Ministerpräsidenten. Diesmal ging es darum, neben den Märkten auch das heimische Unternehmerlager wegen der Präsenz von Ministern mit kommunistischem Hintergrund im Kabinett zu beruhigen. In der Coronakrise war Calviño für die Linken der Bremsklotz für viele ihrer kostspieligen Projekte. Calviño verteidigt jedoch Maßnahmen wie die Ausweitung und Flexibilisierung der Kurzarbeit.