LEITARTIKEL

Eurolands einzigartige Chance

Einige - vor allem im Süden von Euroland - sehen es so: Die Bankenunion klappt eigentlich erstaunlich gut. Die meisten Banken in Euroland stehen robuster da als vor zehn Jahren bei Ausbruch der Finanzkrise. Und auch was die notorischen Problemfälle...

Eurolands einzigartige Chance

Einige – vor allem im Süden von Euroland – sehen es so: Die Bankenunion klappt eigentlich erstaunlich gut. Die meisten Banken in Euroland stehen robuster da als vor zehn Jahren bei Ausbruch der Finanzkrise. Und auch was die notorischen Problemfälle angeht, gibt es Fortschritte. Immerhin sind erstmals einige schonend entsorgt worden – Spaniens Banco Popular oder Italiens Banca Popolare di Vicenza und Veneto Banca. Deren Abwicklung hat anderswo keine Beben ausgelöst. So weit, so gut.Andere – vor allem im Norden – sehen das ganz anders: Die Bankenunion funktioniert überhaupt nicht gut. Das Vertrauen in die Institute ist schwer angeknackst, was sich an Kursen weit unter den Buchwerten ablesen lässt. In einer ganzen Reihe von Euro-Staaten lastet noch immer ein beängstigend hoher Berg fauler Kredite auf den Geldhäusern. Und was die Abwicklung taumelnder Banken angeht, so gibt es gute Gründe, diese Praxistests als misslungen zu bezeichnen. Weil erstens trotz eines gemeinsamen Euro-Regelwerks drei sehr unterschiedliche Lösungen für Monte Paschi (vorbeugende Rekapitalisierung), Banco Popular (Notverkauf) und Vicenza/Veneto (nationale Abwicklung) gefunden wurden. Und weil dies vor allem im dritten Fall mit Milliardenrisiken für Italiens Steuerzahler verbunden gewesen ist – obwohl doch die Steuerzahler eigentlich nie wieder die Zeche für miserables Management von Bankern zahlen sollten. So weit, so schlecht.Von Entwarnung kann also keine Rede sein. Das Risiko, dass die Schieflage eines Hauses oder mehrerer Institute in einem Land unmittelbar zu Verwerfungen im gesamten Euroraum führt, ist zwar (auch dank der Unterstützung der Notenbanken) geringer geworden. Aus der Welt ist dieses Risiko aber noch längst nicht. Was Wunder, dass es immer wieder Anläufe gibt, um die europäische Bankenunion “zu vollenden”. Wie das geschehen soll, darüber gibt es zwei Vorstellungen. Der Norden – angeführt von Deutschland – dringt auf Risikoreduzierung, etwa auf den raschen Abbau der faulen Kredite oder den Abschied von der Nullgewichtung von Staatsanleihen. Der Süden – angeführt von Italien – pocht auf Risikoteilung, etwa durch eine vergemeinschaftete Einlagensicherung oder ein gemeinsames staatlich finanziertes Sicherheitsnetz.Beide Seiten versichern, dass sie politische Lösungen anstreben, die beide Elemente, also Risikoreduzierung und Risikoteilung, sinnvoll kombinieren. In der politischen Praxis sieht das jedoch ganz anders aus. Die Deutschen verweigern jedes Gespräch über Risikoteilung, solange die Italiener nicht bei der Risikoreduzierung in Vorleistung gehen – und vice versa. Insofern sind Fortschritte durch diese Aufstellung derzeit blockiert. So weit, so ernüchternd.Das nächste Jahr indes bietet eine einzigartige Chance. Denn nach den Wahlen in Italien im Frühjahr öffnet sich ein ungewöhnliches Zeitfenster in Euroland. Dann nämlich haben alle großen Staaten die Wahlen hinter sich und können – in einem bis dahin aller Voraussicht nach noch recht günstigen wirtschaftlichen Umfeld – jenseits von Wahlkämpfen einen größeren Wurf versuchen. Berlin und Paris haben bereits wiederholt signalisiert, dass eine gemeinsame Initiative für eine Euroland-Reform in Planung ist.Zeitlich dürfte der Vorstoß in die Monate fallen, in denen programmgemäß die Revision des zentralen Instruments der Marktbereinigung durch die Entsorgung maroder Banken – nämlich die EU-Abwicklungsrichtlinie BRRD – ansteht. Dann haben die Euro-Regierungen also nicht nur die Möglichkeit, sondern sogar die gesetzlich vorgesehene Pflicht, bei wichtigen Details nachzusteuern. Denkbar wäre etwa eine vorsichtige Beschränkung des umstrittenen Bail-in von Vorranggläubigern – im Gegenzug zu strengeren Anforderungen, bail-in-fähiges Kapital vorzuhalten oder noch mehr Eigenkapital zu bunkern. Zugleich böte der Sommer 2018 die Chance, endlich aufrichtig zu sein: Ehrlicherweise sollten die Regierungen ihren Bürgern gegenüber zugeben, dass der Einsatz von Steuergeld auch künftig bei Rettungsaktionen nicht ausgeschlossen ist – allenfalls minimiert werden kann.Der nächste Frühsommer bietet insofern Gelegenheit, die Bankenunion voranzubringen, indem man sie umsichtig korrigiert. Aber aufgepasst: Dieses Zeitfenster wird sich spätestens dann schließen, wenn ein Jahr später Norden und Süden wieder um Europas Spitzenposten schachern. Denn dann wird in Brüssel nicht mehr gestaltet, sondern nur noch beinhart gepokert.——–Von Detlef FechtnerDer nächste Frühsommer bietet Gelegenheit, die Bankenunion voranzubringen, indem man sie umsichtig korrigiert.——-