Eurolands Konjunkturaussichten trüben sich ein
ks Frankfurt – Die den jüngsten geldpolitischen Beschlüssen der Europäischen Zentralbank (EZB) zugrunde liegenden konjunkturellen Annahmen haben sich seit der vorherigen Projektion im Juni (vgl. Börsen-Zeitung vom 7. Juni) eingetrübt. Vor drei Monaten hatten die EZB-Volkswirte ihre Wachstumsprognosen für das laufende Jahr trotz zunehmender Risiken für die Konjunktur zwar noch geringfügig nach oben geschraubt, da sie mit einer steigenden Auslandsnachfrage und insgesamt anhaltend guten inländischen Rahmenbedingungen gerechnet hatten. Die damalige Höher-Korrektur um einen Zehntelpunkt auf eine Zunahme des Bruttoinlandsprodukts (BIP) des Euroraums um 1,2 % wurde aktuell aber wieder kassiert. Man geht nun für 2019 von einer gesamtwirtschaftlichen Expansion um 1,1 % aus (siehe Grafik).Am aktuellen Rand zeigt sich die Notenbank zuversichtlich, dass die Eurozone nicht in eine Rezession rutscht. Dem scheidenden EZB-Präsidenten Mario Draghi zufolge dürfte die Gesamtwirtschaft des Euroraums im dritten Quartal eine “moderate, aber positive Wachstumsrate” aufweisen, nach plus 0,2 % im zweiten und plus 0,4 % im ersten Quartal.Für das kommende Jahr nahmen die EZB-Experten ihre Voraussage, die sie im Juni schon gesenkt hatten, um erneute 0,2 Punkte auf nur noch 1,2 % BIP-Expansion zurück. Für 2021 blieben sie bei ihrer Voraussage von 1,4 %.Die aktuellen Konjunkturdaten signalisierten “eine länger andauernde Schwächephase”, sagte EZB-Präsident Mario Draghi in der Pressekonferenz nach der EZB-Ratssitzung. “Die Risiken für den Konjunkturausblick überwiegen.” Dazu gehörten die Handelskonflikte, geopolitische Faktoren und Schwachstellen in den Emerging Markets.Die Inflation dürfte sich in der Zukunft zunächst noch weiter von der EZB-Zielmarke von “knapp unter 2 %” entfernen. Denn für das laufende Jahr senkten die EZB-Ökonomen ihre Inflationsprognose auf 1,2 (bisher 1,3) %. Für 2020 wird nur noch ein Anstieg der Verbraucherpreise um 1,0 (1,4) % erwartet, für 2021 von 1,5 (1,6) %. Reihum PrognosesenkungenIn die etwas skeptischeren Einschätzungen der EZB-Ökonomen dürfte auch das im Vergleich dazu erheblich düstere Bild eingegangen sein, das derzeit die deutsche Volkswirtschaft bietet. Es hat unter den Forschungsinstituten der größten Euro-Volkswirtschaft bereits reihenweise zu Revisionen der Wachstumsraten nach unten geführt und führt noch immer dazu. So droht dem Ifo-Institut zufolge Deutschland eine Rezession. Die Münchener Wirtschaftswissenschaftler haben ihre Wachstumsprognosen für dieses und das kommende Jahr gesenkt. Laut Ifo-Mitteilung vom Donnerstag werden statt 0,6 % nun für 2019 nur noch 0,5 % erwartet. “Die Schwäche in der Industrie breitet sich wie ein Ölfleck nach und nach in andere Wirtschaftszweige aus, wie beispielsweise in die Logistik, die zu den Dienstleistern zählt”, sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Zudem sei der Ausblick mit “hohen Unwägbarkeiten” verbunden. Das Ifo unterstellt in seiner Voraussage, dass “ein harter Brexit oder eine Eskalation des US-Handelskrieges ausbleiben”.Dennoch geht das Ifo-Institut davon aus, dass nach dem leicht rückläufigen BIP im zweiten Quartal auch im dritten Vierteljahr die Gesamtleistung nochmals leicht abnimmt und Deutschland so in einer technischen Rezession landet. “Dieser Abschwung wurde durch eine Reihe weltpolitischer Ereignisse ausgelöst, die eine über Jahrzehnte gewachsene, globale Wirtschaftsordnung in Frage stellen”, sagte Wollmershäuser weiter. Auch für 2020 ist der Ausblick dunkler: Statt bislang 1,7 % erwartet das Ifo-Institut jetzt nur noch 1,2 % Wachstum, bereinigt um die vielen Arbeitstage sogar nur 0,8 %. Für 2021 veranschlagen die Forscher 1,4 %.Nur wenig höher liegt die Prognose des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts. Das HWWI rechnet jetzt für das laufende Jahr mit einer Zunahme des BIP um 0,6 %. So hat sich die gesamtwirtschaftliche Aktivität im Frühsommer zwar erwartungsgemäß, aber doch deutlicher als zunächst angenommen, abgeschwächt, wie das HWWI mitteilte: “Ausschlaggebend dafür war, dass die außenwirtschaftlichen Stör- und Risikofaktoren virulenter wurden und ansatzweise auch bereits auf die – insgesamt noch solide – Binnenwirtschaft durchwirkten.” Im kommenden Jahr dürfte das Wachstum, auch aufgrund von mehr Arbeitstagen, auf 1,4 % anziehen.Sorgen um die deutsche Wirtschaft macht man sich auch beim gewerkschaftsnahen Institut IMK. Dieses beziffert die Rezessionswahrscheinlichkeit für die nächsten drei Monate auf 59,4 %. Das ist der höchste Prognosewert seit 2012, wie das IMK bekannt gab. Damals durchlief die deutsche Wirtschaft im Winterhalbjahr 2012/13 während der Hochphase der Euro-Krise eine technische Rezession. “Die bisherige Hoffnung, dass die gute Inlandsnachfrage Deutschland vor der Rezession retten kann, schwindet zunehmend”, betonte der wissenschaftliche Direktor des IMK, Sebastian Dullien . Nun sei die Wirtschaftspolitik gefragt gegenzusteuern.