Mindeststeuer

Europa riskiert Wettbewerbs­nachteile

Ein europäischer Alleingang bei der Einführung der globalen Mindeststeuer könnte die Wettbewerbslage hierzulande verschlechtern. Die deutsche Wirtschaft schaut besorgt in die USA.

Europa riskiert Wettbewerbs­nachteile

wf Berlin

Europa könnte sich bei der Einführung der globalen Mindeststeuer in eine schlechte Wettbewerbsposition manövrieren.  Davor warnen Wirtschaft und Wissenschaft. „Katastrophal wäre es, wenn die EU die globale Mindeststeuer einseitig implementieren würde“, sagte Oliver Nussbaum, Leiter der Steuerabteilung der BASF, beim Unternehmenssteuerkongress von BDI/PwC. Falls die EU die bestehende US-Unternehmensbesteuerung GILTI als „koexistent“ akzeptiere, würde die Situation „verschlimmbessert“ und der Wettbewerbsnachteil hierzulande noch vergrößert, stellte Nussbaum fest.

Im Kern geht es darum, ob die USA die globale Mindeststeuer nach den in der OECD vereinbarten Regeln einführen oder ob sie an ihrer aktuellen Form der Hinzurechnungsbesteuerung GILTI (Global Intangible Low-Taxed Income) festhalten. Die EU habe klare Vorgaben gemacht, so Nussbaum. Wenn GILTI nicht abgewandelt und an die Vorgaben der globalen Mindeststeuer angepasst werde, sollten US-Konzerne mit europäischen Töchtern komplett in Europa besteuert werden. Nussbaum hält dies indessen für nicht umsetzbar. Die Entscheidung in den USA dürfte in den nächsten Wochen – noch vor den Midterm-Wahlen 2022 – fallen.

Wolfgang Schön, Steuerrechtler am Max-Planck-Institut in München, warnte vor einer europäischen Regelung, aus der Europa aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips in der Steuerpolitik nie wieder herauskomme. Die EU-Kommission nutze den Richtlinien-Entwurf, um sich Kompetenzen – vor allem für die Zukunft – zu verschaffen, sagt Schön. Die sogenannten „Model Rules“ der OECD könnten Deutschland oder andere EU-Länder jederzeit ändern. Sobald dies auf EU-Ebene harmonisiert werde, sei dies nicht mehr möglich, führte er aus. Dann könne keines der europäischen Länder mehr die Veränderung der Regeln ohne die EU-Kommission verhandeln.

Enger Zeitplan

Das Projekt einer globalen Mindeststeuer ist sehr ambitioniert. Die neue Besteuerung soll bereits von 2023 an gelten. Die EU-Kommission hat dazu einen Richtlinienvorschlag vorgelegt, der auf der Arbeit in der OECD beruht. Unter deren Dach hatten sich 140 Länder auf ein Modell zu einer globalen Mindeststeuer und auf eine neue Steuer für besonders profitable Unternehmen wie Digitalkonzerne geeinigt. Zu den technischen Einzelheiten der globalen Mindeststeuer kündigte Daniel Fehling vom Bundesfinanzministerium „sehr bald“ einen ausführlichen Kommentar an. Daran werde mit Hochdruck gearbeitet, damit die öffentliche Diskussion mit mehr Begründungen unterlegt werden könne. Bislang liegen „Model Rules“ im Umfang von gut 50 Seiten vor. Die Erarbeitung der Kommentierungen in der OECD wird Fehling zufolge auch dazu genutzt, technische Einzelheiten zu erarbeiten, die bislang auch für Experten noch offen sind.