Experten sehen Euro-Inflation auf Jahre unter Ziel

Fachleute schrauben längerfristige Erwartung auf 1,6 Prozent zurück - Lagarde-Aussage sorgt für Aufsehen

Experten sehen Euro-Inflation auf Jahre unter Ziel

ms Frankfurt – Die Europäische Zentralbank (EZB) wird nach Ansicht von Experten noch auf Jahre hinaus ihr Inflationsziel verfehlen. Das geht aus einer am Freitag veröffentlichten Umfrage der EZB hervor. Das dürfte die Euro-Hüter in ihrer Einschätzung bestärken, dass noch für lange Zeit eine extrem lockere Geldpolitik nötig ist, und ihre Bereitschaft verstärken, notfalls noch einmal nachzulegen. Zugleich gibt es im EZB-Rat aber durchaus kontroverse Diskussionen über den weiteren Kurs. Folgen der CoronakriseIn dem am Freitag veröffentlichten Survey of Professional Forecasters für das dritte Quartal schraubten die von der EZB vierteljährlich befragten Fachleute ihre Inflationserwartungen für die längere Frist von zuvor 1,7 % auf 1,6 % herunter, wobei die längere Frist nun das Jahr 2025 meint statt zuvor das Jahr 2024. Die mittlere bis längere Frist steht auch für die EZB im Mittelpunkt. Sie strebt mittelfristig eine Inflationsrate von “unter, aber nahe 2 %” an, wobei die meisten Notenbanker wohl eher 1,8 % oder 1,9 % im Sinn haben.Vor allem wegen der Folgen der Coronakrise senkten die Experten auch ihre Schätzungen für die Inflationsraten im nächsten und übernächsten Jahr (siehe Grafik). Tatsächlich verfehlt die EZB ihr 2-Prozent-Ziel im Grunde seit nunmehr sieben Jahren. Mit Blick aufs Wachstum zeigten sich die Fachleute für 2020 mit einem Minus von 8,7 % sehr viel pessimistischer als im Mai. Dafür erwarten sie aber im nächsten Jahr ein stärkeres Wachstum als zuvor.Die Umfrage kam nur einen Tag nachdem der EZB-Rat seinen geldpolitischen Kurs unverändert gelassen hatte. Die Notenbanker hatten zugleich zwar die verbesserten Wirtschaftsdaten im Mai und Juni hervorgehoben. Sie betonten aber auch die infolge der Pandemie außergewöhnlich hohe Unsicherheit über den Ausblick. Deswegen seien “weiterhin umfangreiche geldpolitische Impulse erforderlich”. Sie betonten zudem ihre Bereitschaft, notfalls nachzulegen.Im Kampf gegen die Coronakrise und die Jahrhundertrezession hat der EZB-Rat insbesondere das Corona-Notfallanleihekaufprogramm PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) aufgelegt. Nach einer Aufstockung und Verlängerung Anfang Juni beläuft sich das Volumen auf 1,35 Bill. Euro, und PEPP soll bis mindestens Mitte 2012 laufen.EZB-Präsidentin Christine Lagarde war am Donnerstag vor allem Spekulationen entgegengetreten, dass die EZB PEPP womöglich gar nicht voll ausschöpft. Ein geringeres Volumen als die 1,35 Bill. Euro werde es nur geben, wenn es bei der Entwicklung der Krise zu “erheblichen positiven Überraschungen” komme, sagte sie. Zuletzt hatten an den Märkten Diskussionen zugenommen, dass die EZB den Rahmen nicht komplett ausschöpfen könnte. Lagardes Aussage war aber nicht Teil des offiziellen Statements, sondern erfolgte in der Pressekonferenz. Einige Notenbanker hatten zuvor öffentlich erklärt, dass es nicht zwingend nötig sei, den Rahmen voll zu nutzen, wenn es auch mit weniger ginge. Diese Notenbanker dürften ihre Meinung kaum geändert haben – trotz der Ansage von Lagarde (vgl. BZ vom 17. Juli).Einigen Dissens gibt es im EZB-Rat auch über den EZB-Kapitalschlüssel als Orientierung für die Aufteilung der PEPP-Käufe auf die einzelnen Euro-Länder. Vor allem Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau sieht im Kapitalschlüssel durchaus einen Nachteil für die Effektivität und Effizienz von PEPP. Bundesbankchef Jens Weidmann und andere halten dagegen (vgl. unter anderem BZ vom 27. Mai).