EZB beschließt Notkaufprogramm - Euro-Hüter springen Italien bei

Notenbank pumpt weitere 750 Mrd. Euro ins System - "Alles tun, was nötig ist" - Peripherierenditen sinken

EZB beschließt Notkaufprogramm - Euro-Hüter springen Italien bei

ms/arp/sp/wbr Frankfurt/Berlin – Die Europäische Zentralbank (EZB) hat im Kampf gegen die wirtschaftlichen Schäden durch die Coronavirus-Pandemie und die extreme Unsicherheit an den Finanzmärkten ein 750 Mrd. Euro umfassendes Notkaufprogramm zum Erwerb von Staats- und privaten Anleihen beschlossen. Der Schritt kam nicht einmal eine Woche nach einem umfangreichen Maßnahmenpaket mit neuen Liquiditätsspritzen für Banken und der Aufstockung eines bestehenden Anleihekaufprogramms. Führende Politiker aus der Eurozone lobten die Entscheidung, und auch bei Ökonomen stieß sie überwiegend auf Zustimmung. Aus Deutschland gab es aber auch Kritik. Die Staatsanleihen aus der Euro-Peripherie erholten sich am gestrigen Donnerstag deutlich.Die Währungshüter beschlossen bei einer außerplanmäßigen Sitzung per Telefonschalte am Mittwochabend ein neues temporäres Anleihekaufprogramm mit dem Namen “Pandemic Emergency Purchase Programme” (PEPP). Die Börsen-Zeitung hatte vorab aus Notenbankkreisen von der Krisensitzung und den Arbeiten an weiteren Krisenhilfen erfahren (vgl. BZ vom 19. März). Im Zuge des PEPP-Programms will das Eurosystem bis Jahresende Wertpapiere im Gesamtwert von mindestens 750 Mrd. Euro kaufen – zusätzlich zu bereits beschlossenen Käufen.”Der EZB-Rat ist entschlossen, seine Rolle bei der Unterstützung aller Bürgerinnen und Bürger des Euroraums in dieser äußerst schwierigen Zeit wahrzunehmen”, hieß es in der Mitteilung der EZB: “Der EZB-Rat wird innerhalb seines Mandats alles tun, was erforderlich ist.” Das erinnert in der Wortwahl stark an das Versprechen von Ex-EZB-Präsident Mario Draghi aus dem Sommer 2012, als er auf dem Höhepunkt der Euro-Schuldenkrise versprach, alles zu tun, was nötig sei (“whatever it takes”), um den Euro zu schützen. Ifo-Index bricht einMit dem Programm reagiert die EZB einerseits auf den sich immer stärker abzeichnenden Einbruch der Euro-Wirtschaft. Gestern meldete das Ifo-Institut einen dramatischen Einbruch seines Geschäftsklimaindex im März. Das Barometer sank so stark wie seit fast drei Jahrzehnten nicht und stürzte mit 87,7 Punkten auf den niedrigsten Stand seit 2009. Für die deutsche Wirtschaft gehen die düstersten Prognosen nun von einem Minus des Bruttoinlandsprodukts von 9 % im Jahr 2020 aus.Andererseits reagieren die Euro-Hüter auf den Absturz an den Märkten, vor allem auf den Ausverkauf bei Anleihen aus Euro-Peripheriestaaten wie Italien. Der EZB-Rat betonte, dass sich die Käufe von Staatsanleihen weiter am EZB-Kapitalschlüssel orientieren werden, dass es aber Flexibilität gebe und zu Schwankungen kommen könne. Das Eurosystem hatte zuletzt bereits verstärkt italienische Staatstitel erworben.Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron lobte die EZB-Entscheidung und forderte Haushaltsmaßnahmen und eine “größere finanzielle Solidarität in der Eurozone”. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte, es handele sich um eine sehr weitreichende Maßnahme, die zum Ziel habe, das Vertrauen internationaler Finanzmärkte zu stärken. Der CDU-Wirtschaftsrat übte dagegen Kritik. Die Fortführung der “ultralockeren Geldpolitik sowie die immer stärkere Ausweitung der Anleihekaufprogramme bei gleichzeitiger Aufweichung der Risikostandards” werde kurzfristig kaum helfen, bringe aber viele gefährliche Nebenwirkungen mit sich. Wieland begrüßt klares SignalPositiv zum EZB-Beschluss äußerte sich der Wirtschaftsweise und Geldpolitikexperte Volker Wieland. “Es ist nun Krisenbekämpfung angesagt”, sagte Wieland der Börsen-Zeitung. “Die EZB will den Anlegern an den Anleihemärkten offenbar klar signalisieren, dass sie keinen raschen Anstieg der Risikoprämien für hoch verschuldete Staaten zulassen will.” Die EZB sei in Vorleistung gegangen, nun müssten die Staaten folgen.Das Programm der EZB ließ die Staatspapiere vieler Euro-Länder haussieren – insbesondere Peripherieanleihen. So sackte die Rendite zehnjähriger italienischer Papiere bis auf 1,52 % ab nach 2,30 % am Vortag. Am späten Nachmittag lag die Rendite wegen Gewinnmitnahmen wieder bei 1,85 %. Ähnlich sah das Bild bei spanischen Papieren aus. Der Zehnjahressatz fiel bis auf 0,73 % nach 1,23 % am Vortag. Die Rendite für zehnjährige Griechenland-Anleihen halbierte sich von 4,04 % auf 2,02 %; sie pendelte sich im Tagesverlauf bei 2,38 % ein. Anders war die Entwicklung bei deutschen Staatstiteln. Die zehnjährige Bundrendite legte von -0,23 % am Vortag auf -0,18 % gestern Abend zu.Am Aktienmarkt keimte die Hoffnung auf, dass ein Boden erreicht wird. Dem Dax gelang es, sich oberhalb von 8 000 Zählern zu stabilisieren. Der deutsche Leitindex schloss 2 % höher bei 8 610 Punkten. Am Devisenmarkt gab der Euro nach den Maßnahmen der EZB weiter nach. Im Verlauf rutschte die Gemeinschaftswährung auf bis zu 1,0727 Dollar. Der Kurs war damit so niedrig wie zuletzt im April 2017. – Nebenstehender Kommentar Berichte Seiten 6, 7 und 24 Interview Seite 7