GASTBEITRAG

EZB braucht engeres Mandat und mehr Transparenz

Börsen-Zeitung, 26.4.2016 "Man hätte einfach nur die schwäbische Hausfrau fragen sollen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Beginn der Euro-Krise und verwies damit auf den Grundsatz, dass niemand auf Dauer über seine Verhältnisse leben kann....

EZB braucht engeres Mandat und mehr Transparenz

“Man hätte einfach nur die schwäbische Hausfrau fragen sollen”, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Beginn der Euro-Krise und verwies damit auf den Grundsatz, dass niemand auf Dauer über seine Verhältnisse leben kann. Acht Jahre und etliche europäische Rettungspakete später wird diese Lehre der “schwäbischen Hausfrau” noch immer kaum beherzigt. Vorbild für die Politik wurde sie nur in wenigen Ländern Europas, die meisten von ihnen gehören nicht dem Euroraum an. Geldpolitik am LimitMit dem geöffneten Geldhahn der Europäischen Zentralbank (EZB) lassen sich die wirtschaftspolitischen Probleme Europas offensichtlich nicht lösen. Die geldpolitischen Maßnahmen stoßen an ihre Grenzen. Durch die schnellen, fragwürdig gerechtfertigten und zunehmend erfolglosen Schüsse, die die EZB abfeuert, droht sie von den fatalen Nebenwirkungen ihres Handelns eingeholt zu werden. Das Gegenteil von dem, was eigentlich beabsichtigt ist, könnte bald eintreten. Nach dem letzten Maßnahmenfeuerwerk der EZB – noch mehr Liquidität, noch höhere Strafzinsen und noch umfangreichere Anleihekäufe – werden “schwäbische Tugenden” wie Sparsamkeit und Eigenverantwortung bestraft. Langfristige, vorausschauende Altersvorsorgekonzepte werden entwertet. Eine politische Kranzniederlegung für das einstige Idealbild.Die Institution EZB bekommt auf diese Weise immer tiefere Risse im Fundament. Vor allem, weil die Politik des billigen Geldes ihre Wirkung bislang augenscheinlich verfehlt hat. Es drängt sich der Verdacht auf, dass hinter den vordergründigen Deflationsargumenten eine Transformation der EZB zum Staatsfinanzierer stattfinden soll.Auf jeden Fall entspricht das Handeln und auch die Verteilung und Konzentration der Staatsschulden auf die Notenbank immer mehr dem Zentralbankmodell der heutigen Hauptschuldnerländer vor der Euro-Einführung. Die großzügigen Milliardenprogramme führen zu einer gewaltigen Vermögensumverteilung von Nord nach Süd. Im Süden Europas profitieren davon freilich eher die Eliten als die Schwachen der Gesellschaft. Besonders dramatisch ist, dass die Umverteilung ohne hörbare gesellschaftliche Diskussion und ohne demokratische Legitimation im Norden wie im Süden geschieht. EZB schafft ReformmüdigkeitVor dem Hintergrund der niedrigen Rohstoffpreise und der geldpolitischen Dauerflutung stellt sich die Frage: Wann wenn nicht jetzt mit mutigen Reformen die Grundlage für nachhaltiges Wachstum schaffen? Doch das billige Geld trügt und verhindert eine heilsame Disziplinierungswirkung der Anleihezinsen. Die Notenbanker sorgen so selber dafür, dass sich eine unübersehbare Reformmüdigkeit, ja Reformverweigerung in Europa ausbreitet. Die EZB-Entscheidungen sind zunehmend auch ein Risiko für die Finanzmarktstabilität in Europa. Banken und Großanleger wie Lebensversicherer und Pensionskassen werden in immer risikoreichere Geschäfte gedrängt. Auf den Aktien- und Immobilienmärkten türmen sich bereits gefährliche Ungleichgewichte auf.Die deutsche Bevölkerung gehört zu den ältesten der Welt. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit, die sozialen Sicherungssysteme auf ein tragfähiges Fundament zu stellen, bevor die Demografiefalle zuschnappt. Die Rente mit 63 und der Zustrom insbesondere gering qualifizierter Flüchtlinge wirken jedoch in die entgegengesetzte Richtung. Umso wichtiger ist zusätzliche Altersvorsorge in Form einer starken kollektiven und individuellen Ersparnisbildung. Doch die Ausschaltung des Zinses macht die Altersvorsorgepläne im großen Stil zur Makulatur. Das ist gesellschaftlicher Sprengstoff, von dem politische Ränder profitieren.In Griechenland legen Generalstreiks gegen die Rentenreform den Alltag lahm. Auch Vorschläge, Immobilienpfändungen bei dauerhaft säumigen Zahlern in Griechenland zu erleichtern, lösen umgehend Empörungswellen aus, mit dem Verweis, Immobilienbesitz sei ein zentraler Baustein in der griechischen Altersvorsorge. Also werden diese heiligen Kühe nicht geschlachtet. Gleichzeitig wird das deutsche Altersvorsorgesystem sehenden Auges grundlegend ins Wanken gebracht. Die EZB begünstigt mit ihrer Politik also ganz bewusst das griechische Fakelaki (kleiner Umschlag) gegenüber der schwäbischen Hausfrau.Die Machtfülle, die sich bei der EZB konzentriert, hat beängstigende Ausmaße erreicht. Selbst die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich warnt eindringlich davor, dass der Geldpolitik zu lange zu viele Aufgaben übertragen worden sind, für die sie nicht gerüstet und politisch nicht legitimiert ist. Durch die institutionalisierte Verquickung von Geld- und Fiskalpolitik werden mehr Probleme geschaffen als gelöst. Vor allem führt der eingeschlagene Weg in Richtung finanzieller Repression und Monetarisierung von Schulden dazu, dass sich die Menschen von dem europäischen Projekt abwenden. Aufgaben beschneidenEs muss deshalb endlich eine ehrliche Debatte geführt werden. Notenbanken sind nicht in der Lage, und werden es auch künftig nicht sein, nachhaltig Wachstum oder Beschäftigung zu stimulieren. Die einzig sinnvolle Konsequenz kann nur sein, die Aufgaben der Notenbanken konsequent und tabulos zu reduzieren. Wir brauchen eine Neufestlegung des Mandats mit hoch transparenten und einfach überprüfbaren geldpolitischen Regeln. Zudem muss die Politik ihre Verantwortung wahrnehmen und endlich Klarheit schaffen, wie Europa mit den gewaltigen Schuldenbergen umgehen will. Die EZB selbst wird sich bald wie andere Notenbanken der G 20-Länder auf einen anderen Kurs begeben und sich wieder an dem Vorbild der Deutschen Bundesbank orientieren müssen. Ansonsten sorgt sie selbst für die nächste Euro-Krise – und besitzt über keine Munition mehr zu deren Bekämpfung.—-Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU e.V.