EZB erhöht den Druck auf die Politik

Lagarde: Staatshilfen nicht zu früh zurückfahren

EZB erhöht den Druck auf die Politik

ms Frankfurt – Angesichts wieder steigender Corona-Infektionen in ganz Europa erhöht die Europäische Zentralbank (EZB) den Druck auf die Politik und speziell die Fiskalpolitik, der Wirtschaft beizustehen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde untermauerte gestern eindringlich ihre Warnungen vor “Klippeneffekten” bei einem zu frühen Rückführen der staatlichen Hilfen. EZB-Chefvolkswirt Philip Lane betonte, die weitere Erholung hänge stark von der Fiskalpolitik ab. EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel schließlich drang auf eine schnelle Einigung beim Corona-Wiederaufbaufonds der EU.In den vergangenen Tagen und Wochen haben die steigenden Infektionszahlen in allen großen europäischen Ländern und die Sorgen vor einem neuerlichen Lockdown wie im Frühjahr die Angst vor einer neuerlichen Rezession geschürt. Im zweiten Quartal war die Euro-Wirtschaft so stark eingebrochen wie nie nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Staaten und die EZB haben sich mit beispiellosen Maßnahmen gegen die Wirtschaftskrise gestemmt. Angesichts der zwischenzeitlichen Erholung hatte es erste Diskussionen über eine Rücknahme einiger Hilfen gegeben. Jetzt aber stehen Politik und EZB eher unter Druck, mehr zu tun.EZB-Chefin Lagarde warnte bei einer virtuellen Diskussion anlässlich der IWF-Jahrestagung vor einem zu frühen Auslaufen von staatlichen Krisenhilfen. Staatsbürgschaften oder Kurzarbeiterregelungen dürften nicht “plötzlich gestoppt” werden, sagte sie: “Wir hoffen, dass Politiker dies verstehen und auch beschließen, dass diese Maßnahmen noch eine Zeit lang weitergehen müssen – selbst wenn die Wirtschaft wieder Tritt fasst.” Es müsse ein reibungsloser Übergang zu einer vollständigen Erholung geschaffen werden.In die gleiche Richtung argumentierte auch EZB-Chefvolkswirt Lane in einem Interview des “Wall Street Journal”. Die Fiskalpolitik spiele eine zentrale Rolle bei der Beurteilung, wie sich die Euro-Wirtschaft künftig entwickle. Er verwies insbesondere auf die Budgetpläne der Euro-Staaten für 2021: “In den nächsten Wochen werden eine Menge Budgets angekündigt. Dann werden wir mehr darüber wissen, wie viel fiskalische Unterstützung es für die Wirtschaft im Jahr 2021 geben wird.”EZB-Direktoriumsmitglied Schnabel richtete ihren Blick insbesondere auf den 750-Mrd.-Euro-Corona-Wiederaufbaufonds. Der Fonds müsse rasch umgesetzt werden, mahnte Schnabel bei einer Online-Konferenz (siehe auch Bericht unten auf dieser Seite). Zuvor hatte bereits Bundesbankpräsident Jens Weidmann im Interview der Börsen-Zeitung vor negativen Folgen gewarnt, sollte der Fonds nicht oder viel später als gedacht beschlossen werden (vgl. BZ vom 8. Oktober).Wie stark die fiskalische Unterstützung in der Zukunft sein wird, dürfte auch ein wesentlicher Faktor dafür sein, ob die EZB noch einmal nachlegen wird. Auch die Euro-Hüter stehen aktuell unter besonderem Druck, zumal auch die Inflationsrate erstmals seit 2016 unter die Nulllinie gesackt ist. Marktteilnehmer und Volkswirte erwarten fast unisono eine weitere Aufstockung und Verlängerung des Corona-Notfallanleihekaufprogramms PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme). Aktuell beläuft es sich bis Mitte 2021 auf 1,35 Bill. Euro.Lane deutete an, dass die EZB grundsätzlich bereit ist, mehr zu tun, und dass in dem Fall die Anleihekäufe das Instrument der Wahl seien. Er argumentierte, dass derzeit Anleihekäufe “einen größeren Einfluss auf die Renditekurve haben” als eine Zinssenkung. Im EZB-Rat gehen die Meinungen aktuell aber stark auseinander in der Frage, ob mehr nötig ist. Bundesbankpräsident Weidmann etwa hatte im Interview der Börsen-Zeitung den geldpolitischen Kurs als angemessen bezeichnet und vor übertriebenen Erwartungen an weitere Schritte der EZB gewarnt. EZB fährt Käufe wieder hochUnterdessen hat das Eurosystem seine Anleihekäufe in der vergangenen Woche wieder deutlich hochgefahren. In den sieben Tagen bis vergangenen Mittwoch erhöhte es seinen Anleihebestand um 24,2 Mrd. Euro, wie die EZB mitteilte. In der Woche zuvor hatte das Plus nur 11,9 Mrd. Euro betragen. Das hatte aber primär daran gelegen, dass es relativ viele Tilgungen gab. Auf PEPP entfielen jetzt in der vergangenen Woche rund 13,4 Mrd. Euro.