EZB forciert Arbeit an Digital-Euro
ms Frankfurt
Die Europäische Zentralbank (EZB) treibt die Arbeit am digitalen Euro voran. Der EZB-Rat einigte sich am Mittwoch darauf, eine zweijährige „Untersuchungsphase“ zu starten, wie die EZB mitteilte. In den 24 Monaten soll es laut EZB darum gehen, „Schlüsselfragen bezüglich Design und Verteilung zu klären“. Daran anschließen könnte sich eine dreijährige Entwicklungsphase. Die EZB hat avisiert, dass der Digital-Euro dann in fünf Jahren Realität sein könnte. Zugleich betonte sie am Mittwoch aber erneut, dass mit dem Beschluss noch keine Entscheidung über die Einführung gefallen sei.
„Es ist neun Monate her, dass wir unseren Bericht über einen digitalen Euro veröffentlicht haben. In dieser Zeit haben wir weitere Analysen durchgeführt, Beiträge von Bürgern und Fachleuten eingeholt und einige Experimente durchgeführt – mit ermutigenden Ergebnissen. All dies hat uns zu der Entscheidung veranlasst, einen Gang höher zu schalten und das Projekt des digitalen Euro zu starten“, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Mittwoch: „Mit unserer Arbeit wollen wir sicherstellen, dass Bürger und Unternehmen auch im digitalen Zeitalter Zugang zu der sichersten Form des Geldes, dem Zentralbankgeld, haben.“
Weltweit haben Zentralbanken in den vergangenen Monaten ihre Arbeit an digitalem Zentralbankgeld forciert. Laut der jüngsten Umfrage der Zentralbank der Zentralbanken BIZ aus dem Januar beschäftigen sich inzwischen 86% der Notenbanken aktiv mit dem Thema. Hintergrund sind nicht zuletzt die Pläne des US-Techgiganten Facebook für eine eigene Digitalwährung. Politiker, Aufseher und Notenbanken fürchten Risiken für die Finanzstabilität, sorgen sich aber auch um das staatliche Geldmonopol. Vor allem Chinas Zentralbank drückt bei dem Thema aufs Tempo und testet bereits. Hinzu kommt der Trend zu digitalem Zahlen in der Corona-Pandemie.
Die EZB ihrerseits hatte im Oktober einen ersten Bericht zum digitalen Euro vorgelegt und eine öffentliche Konsultation gestartet, die auf eine Rekordbeteiligung stieß. Mehr als 8000 Antworten gingen bis Mitte Januar ein (siehe Grafik). Parallel experimentierten Experten aus der EZB und den nationalen Zentralbanken. Laut EZB-Mitteilung von Mittwoch wurden dabei Experimente in vier Bereichen durchgeführt: digitales Euro-Ledger; Datenschutz und Geldwäschebekämpfung; Begrenzung des digitalen Euro-Umlaufs; Zugang des Endnutzers, wenn er nicht mit dem Internet verbunden ist, und Erleichterung der Inklusion durch geeignete Geräte. „Es wurden keine größeren technischen Hindernisse für eine der bewerteten Gestaltungsoptionen festgestellt“, teilte die EZB mit.
Sowohl das Echtzeit-Überweisungssystem TIPS des Eurosystems als auch Alternativen wie die Blockchain erwiesen sich laut EZB als fähig, mehr als 40000 Transaktionen pro Sekunde zu verarbeiten. Die Experimente legten auch nahe, dass Architekturen, die zentrale und dezentrale Elemente kombinieren, möglich seien, so die Notenbank. Nach diesen Experimenten wäre eine digitale Euro-Kerninfrastruktur zudem umweltfreundlich.
In der Untersuchungsphase will sich das Eurosystem jetzt auf ein mögliches funktionales Design konzentrieren. Es sollen die Anwendungsfälle untersucht werden, „die ein digitaler Euro vorrangig bieten sollte, um seine Ziele zu erreichen: eine risikolose, zugängliche und effiziente Form von digitalem Zentralbankgeld“. Das Projekt soll auch Aufschluss darüber geben, welche Änderungen im EU-Recht erforderlich sein könnten. Zudem sollen die möglichen Auswirkungen auf den Markt bewertet und die Gestaltungsoptionen zur Gewährleistung des Datenschutzes und zur Vermeidung von Risiken für die Bürger, die Intermediäre und die Gesamtwirtschaft identifiziert werden.
Wenngleich die neue Projektphase „ergebnisoffen“ sein soll, wie es aus der EZB heißt, zeichnen sich aktuell erste Weichenstellungen bereits ab (vgl. BZ vom 14. Juli): So scheint es derzeit unwahrscheinlich, dass der digitale Euro auf der Blockchain-Technologie basieren wird. Vielmehr dürfte er eher kontenbasiert sein und etwa auf TIPS aufbauen. Das würde die Kontrollmöglichkeiten der EZB erhöhen, aber auch die Einsatzoptionen etwa bei der Nutzung in der Industrie verringern. Zudem dürfte es eine Höchstgrenze geben für die Summe, die ein Euro-Bürger in seiner elektronischen Geldbörse (E-Wallet) halten kann. EZB-Vertreter haben da wiederholt die Summe von 3000 Euro pro Bürger ins Spiel gebracht. Das soll verhindern, dass in großem Stil Einlagen bei den Banken abfließen, und im Krisenfall das Risiko eines „digitalen Bank Run“ mindern. Es würde aber auch die generelle Attraktivität des Euro mindern. Und schließlich dürfte es wohl keine Verzinsung geben – aber damit auch keine Minuszinsen. Das würde den digitalen Euro dem Bargeld gleichstellen.