GASTBEITRAG

EZB muss nationale Geldpolitik in Athen stoppen

Börsen-Zeitung, 11.2.2015 Im Zuge der Parlamentswahl hat sich die Lage des Staates und des Finanzsektors in Griechenland dramatisch verschlechtert. Die neue Regierung hat die Zusammenarbeit mit der Troika aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und...

EZB muss nationale Geldpolitik in Athen stoppen

Im Zuge der Parlamentswahl hat sich die Lage des Staates und des Finanzsektors in Griechenland dramatisch verschlechtert. Die neue Regierung hat die Zusammenarbeit mit der Troika aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) aufgekündigt und reist mit abenteuerlichen Vorschlägen zur Senkung der Staatsschulden durch Europa, während die Anleger ihr noch verbliebenes Kapital mit Hilfe der griechischen Banken und des von der EZB gestützten Targetsystems außer Landes bringen.Die EZB leistet “Fluchthilfe”, indem sie das Volumen der sogenannten ELA-Kredite (Emergency Liquidity Assistance) auf 60 Mrd. Euro aufgestockt hat. Die griechische Notenbank hat mit ELA eine Lizenz zur nationalen Liquiditätsschaffung – eine für eine Währungsunion groteske Situation. Sie gibt den Banken gegen zweifelhafte Sicherheiten Zentralbankgeld, das die Banken benötigen, um Euro-Bargeld an Kunden auszugeben oder um grenzüberschreitende Überweisungen von griechischen Spargeldern über das Targetsystem zu refinanzieren. Das ist so, als hätte in der Deutsche-Mark-Zeit beispielsweise die für das Saarland zuständige Landeszentralbank eigenständig an die Banken im Saarland Kredite vergeben dürfen.Im Falle eines nicht auszuschließenden Ausscheidens Griechenlands aus dem Euroraum bedeuten die durch diese Vorgänge vor allem in Deutschland anfallenden Target-Forderungen der Bundesbank wertlose Auslandsforderungen. Damit hätte die griechische Regierung erreicht, dass “Deutschland am Ende zahlt” – ein viel zitierter Satz des neuen griechischen Finanzministers Giannis Varoufakis.Die EZB muss daher sofort die ELA-Kredite stoppen. Diese Kredite sind nur für den Fall von vorübergehenden Liquiditätsproblemen des Bankensektors gedacht. Im Fall von Griechenland dienen sie aber schon seit vielen Jahren als permanente Nothilfe, gleich einer Insolvenzverschleppung. Für einen Stopp von ELA ist im EZB-Rat eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Auch diese eigenartige Regelung muss in Zukunft gekippt werden. Wie kann es sein, dass im äußersten Fall 8 von 21 stimmberechtigten Mitgliedern im EZB-Rat die Risiken für den gesamten Euroraum bestimmen können? Begehrlichkeiten der PolitikDie EZB hat sich ohne Not selbst in diese Rolle des Nothelfers für einzelne Länder des Euroraums gebracht. Dafür hat sie aber kein Mandat. Sie kann bei einer Gefährdung der Stabilität des gesamten Finanzsektors oder des Staatswesens im Euroraum eine Funktion als “lender of last resort” einnehmen, aber nicht als regionale Feuerwehr auftreten. Durch die Absenkung des erforderlichen Mindeststandards für Sicherheiten in Griechenland, durch die Ankündigung des umstrittenen Staatsanleihekaufprogramms OMT (Outright Monetary Transactions), durch das neue Quantitative-Easing-Programm und durch das weniger bekannt gewordene ELA-Programm hat die EZB in der Bevölkerung der Krisenländer überzogene Erwartungen und bei Politikern überzogene Begehrlichkeiten geweckt. Bei Eintritt in die Währungsunion haben aber alle Staaten einen bindenden Vertrag unterschrieben, dass in der Eurozone keine Staatsschulden durch die Notenpresse finanziert werden dürfen und die Geldpolitik nicht regional geführt werden kann.Wenn die neue griechische Regierung im Euroraum bleiben will, führt kein Weg an einem neuerlichen Hilfsprogramm vorbei, das mit den Geberländern ausgehandelt werden muss. Dabei kann es nicht sein, dass der Schuldner die Bedingungen für den Gläubiger diktiert. Der neue griechische Finanzminister und ehemalige Ökonomieprofessor Varoufakis wird es nicht schaffen, das Kreditgeschäft auf den Kopf zu stellen und alle Lehrbücher über das Bankwesen umzuschreiben.Für ein neues Hilfsprogramm, so es von beiden Seiten gewollt wird, stehen die Mittel des Euro-Rettungsfonds ESM zur Verfügung, aber keine Notenbankgelder. Die Mitgliedstaaten der Eurozone haben sich in langen und schwierigen Verhandlungen auf den ESM-Rettungsschirm geeinigt. Nur über den ESM sind die Verantwortlichkeiten klar festgelegt. Die Haftung der Mitgliedstaaten ist klar verteilt und in der Höhe begrenzt.Die Regierungen der Euro-Staaten müssen darüber hinaus ihren Wählern immer wieder Rechenschaft über die Rettungsprogramme und die damit verbundenen Risiken ablegen. Der ESM ist auch in Deutschland verfassungsrechtlich nicht angreifbar. Mit der Notenbankfinanzierung einzelner Krisenstaaten überschreitet die EZB dagegen eindeutig ihr rechtliches Mandat. Es ist zu wünschen, dass der IWF weiterhin in die Programme eingebunden wird. Mit Hilfe seiner Expertise wurden in den beiden Hilfsprogrammen viele wichtige Reformen in Griechenland angestoßen und die Glaubwürdigkeit gesichert, die die EU-Kommission allein nicht erreichen konnte. Die ungleiche Belastung verschiedener Bevölkerungsteile in Griechenland haben nicht der IWF oder die Troika zu verantworten.Die alten griechischen Regierungen haben vielmehr eine gerechtere Besteuerung und die Abschaffung von Privilegien der reicheren Bevölkerungsgruppe in Griechenland verhindert. Hier hätte die neue griechische Regierung in der ersten Woche ihrer Regierungstätigkeit ansetzen müssen. Stattdessen waren ihre Vertreter auf Europareise, verunsicherten Investoren und Bevölkerung und förderten damit die Kapitalflucht aus ihrem Land. In der aktuellen Berichterstattung wird vergessen, dass IWF-Hilfsprogramme häufig mit Protesten auf der Straße verbunden waren. Sie waren aber meist erfolgreich, wie in vielen Ländern nach der Asienkrise. Ein “Herausdrängen” des IWF – Beispiel Argentinien – führte dagegen häufig zu einem langwierigen wirtschaftlichen Niedergang.Wahrscheinlich wird sich der IWF aber selbst nicht mehr an neuen Hilfsprogrammen beteiligen. Die Ausleihungen an Griechenland sind in ihrer Höhe beispiellos und vor den IWF-Mitgliedern in den Schwellen- und Entwicklungsländern kaum zu rechtfertigen. Allein die beiden Hilfskredite der Troika an Griechenland in Höhe von 240 Mrd. Euro (ohne die weiteren Auslandshilfen und die zusätzlichen Risiken gerechnet) betragen mehr als das Fünffache der jährlichen Entwicklungshilfe für den gesamten afrikanischen Kontinent mit über 50 Ländern!Insofern müssen die EU-Staaten bald ein schlüssiges Konzept für die Ausarbeitung und Überwachung eines dritten Hilfsprogramms für Griechenland erarbeiten. Ohne Experten vor Ort in Athen wird das aber nicht funktionieren. Ein Unternehmen kann es den Mitarbeitern der Kredit gewährenden Bank auch nicht verwehren, in die Bücher zu schauen. Eine Platinkreditkarte der EZB für unbegrenzte Kredite auf Kosten der europäischen Steuerzahler kann und sollte es für Griechenland nicht geben.—-Thomas Jost, Hochschule Aschaffenburg—-Franz Seitz, Ostbayerische Technische Hochschule Weiden