EZB plant Offenlegung von Kalendern

Notenbank bereitet Veröffentlichung der Termine von Draghi & Co. vor - Sorgen um Kontakte zu Experten

EZB plant Offenlegung von Kalendern

Nicht zuletzt angesichts der enorm gestiegenen Macht der Europäischen Zentralbank verlangen die Bürger von der EZB immer mehr Transparenz. Eine Reaktion darauf war die Veröffentlichung von Sitzungsprotokollen. Jetzt steuert das EZB-Direktorium auf die nächste Zäsur zu.Von Mark Schrörs, FrankfurtDie Europäische Zentralbank (EZB) steht offenbar kurz davor, die Terminkalender von Notenbankchef Mario Draghi und den anderen Mitgliedern des sechsköpfigen EZB-Direktoriums zu veröffentlichen. Entsprechende Überlegungen und Diskussionen sind bereits weit fortgeschritten, erfuhr die Börsen-Zeitung aus Notenbankkreisen. Einige Details zur Art der Veröffentlichung sind noch in der Diskussion. Als wahrscheinlich gilt aber aktuell, dass die Terminkalender künftig rückblickend für drei Monate veröffentlicht werden. Druck zu mehr TransparenzDamit steuert die EZB in ihrer Transparenz- und Kommunikationspolitik auf einen historischen Einschnitt zu. Die Termine der meisten Treffen der Direktoriumsmitglieder beispielsweise mit Bankern oder Marktteilnehmern sind bislang vertraulich. Die EZB veröffentlicht lediglich wenige, meist öffentliche Termine. In der EZB ist dieser Schritt lange und kontrovers diskutiert worden. Zumindest einige Notenbanker sorgen sich durchaus, dass der Austausch mit Experten außerhalb der EZB erschwert wird. Dieser gilt den Notenbankern als essenziell, um die Wirtschafts- und Finanzmarktentwicklungen zu verstehen und angemessene Entscheidungen zu treffen.Die EZB sieht sich aber einem zunehmenden Druck der Öffentlichkeit und auch von Seiten der Medien in Richtung mehr Transparenz ausgesetzt. Dieser Druck hatte nach der Kommunikationspanne um Direktoriumsmitglied Benoît Coeuré Mitte Mai zugenommen. Coeuré hatte bei einem Abendessen mit Hedgefonds- und Bankenvertretern eine Rede gehalten, in der er über Details zum Anleihekaufprogramm (Quantitative Easing, QE) sprach, die an den Märkten als neu bewertet wurden. Die Rede wurde aber erst rund zwölf Stunden später öffentlich gemacht.Coeuré selbst hatte sich Mitte August im Interview der Börsen-Zeitung auch offen dafür gezeigt, künftig Termine offenzulegen. “Was die Veröffentlichung unserer Terminkalender, von Treffen mit Gesprächspartnern außerhalb der EZB angeht, hätte ich absolut nichts dagegen”, sagte er (vgl. BZ vom 15. August). Bislang veröffentlicht die EZB lediglich Termine von Veranstaltungen, bei denen Direktoriumsmitglieder etwa öffentliche Reden halten oder an Diskussionen teilnehmen, von Anhörungen wie etwa im EU-Parlament sowie von Pressekonferenzen.Unter den weltweit führenden Notenbanken gehört die US-Notenbank Fed zu jenen, die Kalender offenlegen. Die Detailliertheit unterscheidet sich dabei durchaus – beispielsweise auch in der Frage, wie Telefonate berücksichtigt werden. Die Fed veröffentlicht derzeit Kalender von Notenbankchefin Janet Yellen. Die regionale Fed New York, die als Wächterin über die Wall Street eine herausgehobene Rolle innerhalb des Federal-Reserve-Systems einnimmt, publiziert ebenfalls regelmäßig den detaillierten Terminkalender ihres Präsidenten – jedes Vierteljahr mit einem Quartal Verzögerung.Aus Sicht der EZB geht es bei allen Schritten hin zu mehr Transparenz – zu denen auch der jüngst veröffentlichte Verhaltenskodex für die Direktoriumsmitglieder und die Sitzungsprotokolle gehören – stets um effektive Transparenz. Hinter der Maxime steckt insbesondere, dass die Offenlegung von Informationen nicht zum Selbstzweck werden soll, sondern wirklich Mehrwert liefern soll. Aufsicht außen vorErst vor wenigen Tagen hatte die EZB den neuen Verhaltenskodex für ihre Direktoriumsmitglieder im Umgang mit öffentlichen Auftritten und nichtöffentlichen Treffen vorgelegt – auch das nicht zuletzt als Reaktion auf den Coeuré-Vorfall. Explizit ausgenommen davon sind allerdings Gespräche mit öffentlichen Institutionen und Aufsichtsgespräche. Die EZB ist seit November 2014 auch Bankenaufseherin über die wichtigsten Banken im Euroraum. EZB-Direktoriumsmitglied Sabine Lautenschläger ist auch Vizechefin des EZB-Bankenaufsichtsarms SSM (Single Supervisory Mechanism). Es ist zu erwarten, dass Details über Aufsichtsgespräche mit einzelnen Banken auch bei der Veröffentlichung der Terminkalender außen vor bleiben.Bereits zu Jahresbeginn hatte die EZB ihrer Transparenz- und Kommunikationspolitik einen wesentlichen neuen Baustein hinzugefügt. Seitdem veröffentlicht sie Protokolle der geldpolitischen Sitzungen des EZB-Rats. Auch dagegen hatten sich die Notenbanker lange gesträubt, weil sie um die Qualität ihrer internen Diskussionen und ihre Einigkeit fürchteten. Wer im EZB-Rat im Zweifelsfall wie abgestimmt hat, veröffentlicht die Notenbank bislang aber nicht. Im EZB-Direktorium befürworten das einige zwar, aber vor allem unter den nationalen Zentralbankchefs ist die Skepsis groß.