EZB rechnet mit tiefer Rezession

Interne Schätzungen taxieren Wachstumseinbruch auf 5 bis 12 Prozent - Euro-Hüter zum Handeln bereit

EZB rechnet mit tiefer Rezession

Im Kampf gegen die Coronakrise hat die EZB seit Mitte März zu beispiellosen Maßnahmen gegriffen. Trotzdem nehmen Spekulationen zu, dass die Notenbank nachlegen und insbesondere ihre Anleihekäufe aufstocken muss. Noch aber ist die EZB nicht soweit – trotz neuer, sehr düsterer Wachstumsprognosen.ms Frankfurt – Die Europäische Zentralbank (EZB) rechnet wegen der Corona-Pandemie im laufenden Jahr mit einem historischen Einbruch der Euro-Wirtschaft und gibt sich fest entschlossen, sich notfalls mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen noch Schlimmeres zu stemmen. Zugleich hat sie aber weiter die Hoffnung, dass sich die Wirtschaft nach Überwindung der Pandemie schrittweise wieder erholt – weswegen sie wohl auch gestern zwar bei den Liquiditätshilfen für die Banken nachgelegt, aber ihre Anleihekäufe erst einmal nicht aufgestockt hat.EZB-Präsidentin Christine Lagarde sagte am Donnerstag nach zweitägigen Beratungen des EZB-Rats, dass nach Schätzungen von EZB-Volkswirten die Wirtschaftsleistung im Euroraum im laufenden Jahr zwischen 5 % und 12 % schrumpfen werde – je nach Dauer der Krise und Erfolg der Maßnahmen zur Eindämmung des Virus. “Der Euroraum steht vor einem Konjunktureinbruch, der in Ausmaß und Geschwindigkeit in Friedenszeiten beispiellos ist”, sagte Lagarde. Die Szenarien sollten am Freitag veröffentlicht werden, ergänzte sie. Der Einbruch werde auch die Inflation noch stärker drücken als bislang, sagte Lagarde. Im April lag die Teuerung bei 0,4 %, die EZB strebt aber mittelfristig knapp 2 % an (siehe Text auf dieser Seite).Vor dem Hintergrund untermauerte Lagarde die Entschlossenheit des EZB-Rats, alles zu tun, was notwendig sei, um die Bürger des Euroraums in dieser herausfordernden Zeit zu unterstützen und das Preisstabilitätsmandat zu erreichen. Die Euro-Hüter stünden bereit, wenn nötig alle Instrumente anzupassen. Das gelte insbesondere für das Pandemie-Notfallankaufprogramm PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programm). Das hatte der EZB-Rat am 18. März beschlossen, es läuft bis Ende 2020 und hat ein Volumen von 750 Mrd. Euro. Dadurch summieren sich die Nettoanleihekäufe des Eurosystems allein zwischen März und Dezember 2020 auf rund 1,1 Bill Euro. Es geht dabei primär um Staatsanleihen.Entgegen mancher Hoffnung und Erwartung stockte der EZB-Rat PEPP aber am Donnerstag noch nicht auf. Lagarde betonte aber, dass das Eurosystem die in dem Programm angelegte Flexibilität voll ausnutze. Bei PEPP hat der EZB-Rat frühere Selbstbeschränkungen wie Kaufobergrenzen für einzelne Emittenten ausgesetzt, und das Eurosystem weicht auch vom EZB-Kapitalschlüssel als Richtschnur für die Verteilung der Käufe auf die Euro-Länder ab. Gegenwärtig werden vor allem italienische Staatsanleihen gekauft. Das schürt Kritik, die EZB betreibe monetäre Staatsfinanzierung. Besondere Brisanz erhält das dadurch, dass das Bundesverfassungsgericht am Dienstag sein Urteil zum parallelen Staatsanleihekaufprogramm APP (Asset Purchase Programme) verkündet.Trotz des kurzfristig düsteren Ausblicks erwartet der EZB-Rat aber, dass sich die Euro-Wirtschaft nach dem unmittelbaren Schock durch die Pandemie wieder erholt und auf den Wachstumskurs zurückkehrt. Das Wachstum werde sich in den Folgejahre normalisieren, hieß es im EZB-Statement. Der Ausblick sei aber mit hoher Unsicherheit verbunden, sagte Lagarde. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat unlängst nach einem Einbruch der Euro-Wirtschaft um 7,5 % im Jahr 2020 für 2021 ein Wachstum von 4,7 % vorausgesagt.Am Donnerstag legte der EZB-Rat schon einmal bei den Liquiditätshilfen nach. So besserte er die Konditionen für die langfristigen Refinanzierungsgeschäfte TLTRO III (Targeted Longer-Term Refinancing Operations) nach. Banken können die EZB-Liquidität nun unter Umständen zu einem Zins von – 1 % bekommen. Sie erhalten also Geld, wenn sie sich bei der EZB Liquidität leihen. Zugleich legte er neue Liquiditätshilfen auf – so genannte PELTROs (Pandemic Emergency Longer-Term Refinancing Operations). Dafür gilt aktuell auch ein negativer Zins von – 0,25 %Auf Nachfrage, ob die EZB künftig auch Nicht-Finanzunternehmen unter die Arme greifen könne, antwortete Lagarde am Donnerstag, dass das im EZB-Rat bislang nicht diskutiert worden sei. Man müsse aber “aufgeschlossen” (“open-minded”) sein und sie wolle nichts ausschließen, sagte Lagarde.