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EZB regelt Zuständigkeiten im Direktorium

Von Mark Schrörs, Frankfurt Börsen-Zeitung, 14.6.2018 Der neue Vizepräsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Luis de Guindos, übernimmt im sechsköpfigen Direktorium die Themen makroprudenzielle Politik und Finanzstabilität sowie Forschung....

EZB regelt Zuständigkeiten im Direktorium

Von Mark Schrörs, FrankfurtDer neue Vizepräsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Luis de Guindos, übernimmt im sechsköpfigen Direktorium die Themen makroprudenzielle Politik und Finanzstabilität sowie Forschung. Einen entsprechenden Beschluss fasste das Gremium am Dienstag, wie die Börsen-Zeitung aus Notenbankkreisen erfuhr. De Guindos übernimmt damit 1:1 das Portfolio seines Vorgängers Vítor Constâncio, und die anderen Zuständigkeiten bleiben unberührt – zumindest vorerst: Denn in Notenbank- und Aufsichtskreisen gibt es aktuell viele Diskussionen und Spekulationen, wie es mit der Zuständigkeit für Aufsichtsthemen in dem Direktorium weitergeht. De Guindos für FinanzstabilitätSeit 1. Juni ist der Spanier de Guindos nun Stellvertreter von EZB-Präsident Mario Draghi. Seinen ersten großen öffentlichen Auftritt wird de Guindos heute haben, wenn er nach der auswärtigen geldpolitischen Sitzung des EZB-Rats in Riga zusammen mit Draghi vor die Presse tritt und die Entscheidung des Rats erläutert – auch wenn das vor allem Draghi zufällt. Seit Dienstag ist nun indes auch offiziell klar, um welche Themen sich de Guindos vor allem kümmern wird. Bei der Direktoriumssitzung in der Vorwoche hatte es noch keinen Beschluss gegeben, weil nicht alle sechs Mitglieder anwesend waren.Der Spanier wird also zuständig sein für makroprudenzielle Politik und Finanzstabilität sowie für Forschung – genau wie der Portugiese Constâncio zuvor. Qua seines Amtes wird de Guindos zugleich auch dem Verwaltungsrat und dem Lenkungsausschuss des EU-Systemrisikorats ESRB (European Systemic Risk Board) angehören, der das Finanzsystem in Europa als Ganzes im Blick behalten soll.Da de Guindos Constâncios Portfolio übernimmt, ändert sich an den sonstigen Zuständigkeiten im Direktorium erst einmal nichts: So bleibt insbesondere der Belgier Peter Praet zuständig für Volkswirtschaft und die Vorbereitung der geldpolitischen Entscheidungen der EZB und der Franzose Benoît Coeuré für die Marktoperationen sowie die internationalen und europäischen Beziehungen. Der Luxemburger Yves Mersch ist vor allem mit Bargeld und Zahlungsverkehr betraut.Die Deutsche Sabine Lautenschläger kümmert sich weiter um Aufsichtsthemen und bleibt stellvertretende Vorsitzende des EZB-Bankenaufsichtsarms SSM (Single Supervisory Mechanism). Wie es mit dieser Zuständigkeit und Rolle längerfristig weitergeht, ist aber aktuell noch unklar – und sorgt nach Informationen der Börsen-Zeitung intern für einige Unruhe und Diskussionen. Hintergrund ist, dass Lautenschlägers Amtszeit als Vize-Chefin des SSM-Aufsichtsgremiums auf fünf Jahre begrenzt ist und am 23. Februar 2019 endet. Was dann passiert, ist offen.Besondere Brisanz könnte die Entscheidung dann erhalten, wenn sich die Entscheidung über die Nachfolge von SSM-Chefin Danièle Nouy lange hinzieht und die Stellvertreterin oder der Stellvertreter womöglich gar kommissarisch die SSM-Geschäfte führen müsste. Die Amtszeit der Französin Nouy endet Ende 2018. Zwar kursieren immer mal wieder Namen wie etwa jener der Vize-Gouverneurin der irischen Zentralbank, Sharon Donnery, der Vize-Chefin der portugiesischen Notenbank, Elisa Ferreira, der beiden Italiener Andrea Enria, aktuell Chef der EU-Bankenaufsicht EBA, und Ignazio Angeloni, derzeit Mitglied des SSM-Aufsichtsgremiums, oder auch jener von Lautenschläger. Aktuell aber scheint alles offen, und das Zeitfenster wird immer enger – zumal das EU-Parlament mitentscheidet.Der SSM-Chefposten gilt dabei als einer jener EU-Topjobs, der in nächster Zukunft zu besetzen ist, ähnlich wie der des EZB-Präsidenten (Draghis Amtszeit endet Ende Oktober 2019) oder der des EU-Kommissions- und des EU-Ratspräsidenten nach der Europa-Wahl 2019 (vgl. auch BZ vom 23. Januar). Eine Paketlösung könnte aber wohl erst 2019 festgezurrt werden. Eine auch nur vorübergehende Vakanz beim SSM-Chefposten erscheint Insidern aber als schwer vorstellbar und wäre wohl auch kein gutes Signal. Das spricht also dafür, dass diese Frage vorab entschieden wird. Tatsächlich will die EZB dem Vernehmen nach den Auswahlprozess in den nächsten Wochen mit der Ausschreibung starten. SSM-Vize-Vorsitz im FokusIn jedem Fall aber ist die Frage, wer sich im EZB-Direktorium um Aufsichtsthemen kümmert und den Vize-Posten beim SSM besetzt, auch so von großer Relevanz. Die Regularien besagen nur, dass dieser Posten aus dem Kreis der sechs Direktoriumsmitglieder zu besetzen ist. Bei EZB-Vize de Guindos könnte sich wohl die Frage nach der Machtfülle stellen, wenn er auch noch die Bankenaufsicht erhielte und Vice Chair des SSM würde. Bei Praet und Coeuré dürfte sich die Frage stellen, wie sie das mit ihren anderen zeitintensiven Zuständigkeiten unter einen Hut bringen wollen, und es könnten erneut kritische Fragen zur Trennung von Geldpolitik und Aufsicht aufkommen.Eine Option wäre sicher, dass Mersch im Direktorium die Zuständigkeit für die Aufsicht und den SSM-Posten übernimmt. Er ist abgesehen von de Guindos das Direktoriumsmitglied, das aktuell noch die längste Amtszeit vor sich hat. Allerdings endet auch diese Mitte Dezember 2020. Eine volle Amtszeit von fünf Jahren als SSM-Vize, wie in den internen EZB-Regeln (Rules of Procedure) vorgesehen, wäre also von vornherein ausgeschlossen. Diese Regeln ließen sich aber anpassen. Indes gilt auch das Verhältnis zwischen Mersch und Draghi als schwierig.Die andere Option wäre, das Mandat von Lautenschläger zu verlängern, zumindest um einige Monate. Ende Mai 2019 endet die Amtszeit von Praet, wodurch neue Bewegung in die Verteilung der Zuständigkeiten kommen könnte. Vor allem aber könnte es bis dahin auch Entscheidungen oder zumindest Vorentscheidungen bei den anderen EU-Topjobs und vor allem der Draghi-Nachfolge geben. Die EZB-Regeln besagen zwar, dass die Amtszeit des stellvertretenden SSM-Vorsitzenden fünf Jahre beträgt und nicht verlängerbar ist. Intern gibt es aber Diskussionen, ob einige Monate mehr als Verlängerung gelten. Zudem gäbe es wie im Fall von Mersch die Option, die formalen Regeln anzupassen. Es gibt intern durchaus Bedenken wegen einer “Lex Lautenschläger” oder auch einer “Lex Mersch”. Am Ende aber braucht es eine Lösung. Der Vorteil bei einer Verlängerung von Lautenschläger: Sie bliebe beim SSM an Bord und in den Themen. Denn sie gilt vielen als geeignete Nouy-Nachfolgerin – für den Fall, dass Deutschland nicht den EZB-Präsidentenposten bekommt, für den Bundesbankpräsident Jens Weidmann als ein Top-Kandidat gilt.