DER EZB-ENTSCHEID

EZB sagt historische Rezession voraus

Wirtschaftseinbruch um 8,7 Prozent im Jahr 2020 - Inflation deutlich unter Ziel

EZB sagt historische Rezession voraus

ms Frankfurt – Die Wirtschaft im Euroraum wird nach Einschätzung der Europäischen Zentralbank (EZB) im laufenden Jahr eine historische Rezession erleben – sich dafür im kommenden Jahr und auch 2022 aber durchaus kräftig erholen. Das geht aus den neuen makroökonomischen Projektionen hervor, die die Volkswirte des Eurosystems aus EZB und nationalen Zentralbanken gestern veröffentlichten. Die Euro-Wirtschaft erlebe einen “beispiellosen Einbruch”, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde gestern nach der Sitzung des EZB-Rats.Für das laufende Jahr sagen die Notenbankvolkswirte in ihrem Basisszenario nun einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 8,7 % voraus. Bei den März-Projektionen waren sie noch von einem Wachstum von 0,8 % ausgegangen. Das war aber vor Zuspitzung der Coronakrise und dem politisch induzierten Lahmlegen der Wirtschaft zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus. In einem negativeren, schwerwiegenden Szenario prognostizieren sie nun gar einen Einbruch um 12,6 % (siehe Grafik). Für das kommende Jahr setzen die Volkswirte dann aber wieder auf ein deutliches Wachstum. Im Basisszenario steht ein Plus von 5,2 % zu Buche. Vorkrisenniveau weit entferntDie EZB geht laut den neuen Projektionen allerdings davon aus, dass es noch lange Zeit dauern wird, bis das BIP wieder sein Vorkrisenniveau erreicht hat. Das reale BIP werde am Ende des Projektionszeitraums 2022 rund 4 % unter dem Niveau liegen, das in den Projektionen vom März 2020 erwartet worden war, so die EZB. Das spricht dafür, dass die EZB noch für lange Zeit an einem sehr lockeren Kurs festhalten und auch danach eine möglich Normalisierung allenfalls sehr vorsichtig angehen dürfte.Dafür spricht auch der Inflationsausblick. Für 2022 sagen die Eurosystem-Volkswirte nun nur noch eine Inflationsrate von im Mittel 1,3 % voraus. Im März hatte dieser Wert noch 1,6 % betragen. Die 2022er Projektion liegt damit deutlich unterhalb des mittelfristigen Inflationsziels der EZB von unter, aber nahe 2 %. Im negativen, schwerwiegenden Szenario lautet die Prognose gar nur 0,9 %. In der EZB hat sogar bereits wieder eine Diskussion über eine mögliche Deflationsgefahr begonnen, also die Gefahr einer regelrechten Abwärtsspirale aus fallenden Preisen und rückläufigem Wachstum (vgl. BZ vom 30. Mai).Zum Jahreswechsel 2014/2015 waren Deflationsrisiken ein zentrales Argument, als die EZB erstmals zum Instrument eines negativen Leitzinses und zu breiten Anleihekäufen griff. Der jüngste Inflationsrückgang im Euroraum auf nur 0,1 % im Mai ist aber primär auf den Ölpreisverfall zurückzuführen. Die Kerninflation ohne die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise etwa lag im Mai erneut bei 0,9 %, also deutlich über der Nulllinie. Zudem hat die Zentralbank der Zentralbanken BIZ wiederholt hervorgehoben, dass fallende Preise in der Wirtschaftsgeschichte nur äußerst selten in eine Krise gemündet haben.