EZB-KURS IM BRENNPUNKT

EZB sorgt sich ums Wachstum

Notenbanker attestieren erheblich weniger konjunkturelle Dynamik - Maßnahmenpaket soll helfen

EZB sorgt sich ums Wachstum

Die Spannung vor der gestrigen EZB-Zinssitzung war groß – und tatsächlich machten die Euro-Hüter Nägel mit Köpfen: Sie vertagten nicht nur die Zinswende auf das Jahr 2020. Sie kündigten zudem neue Langfristkredite für die Banken an. Sie begründeten das mit deutlich schlechteren Wachstumsaussichten.ms Frankfurt – Die Europäische Zentralbank (EZB) sieht die Zukunft der Euro-Wirtschaft deutlich pessimistischer als noch Ende vergangenen Jahres. Die EZB-Volkswirte schraubten gestern ihre Wachstumsprognosen gegenüber Dezember vor allem für 2019 deutlich herunter. Auch EZB-Präsident Mario Draghi schlug nach der Zinssitzung des EZB-Rats eher skeptische Töne an. Vor dem Hintergrund beschloss der EZB-Rat ein umfangreiches Paket, um die Euro-Wirtschaft zu unterstützen.Die gestrige EZB-Sitzung war mit besonderer Spannung erwartet worden – zumal nachdem andere große Zentralbanken weltweit, allen voran die US-Notenbank Fed, zuletzt eine deutlich vorsichtigere Haltung eingenommen hatten. Grund dafür sind das weltweit schwächere Wachstum und große Risiken wie die Handelsstreitigkeiten und der Brexit. Allgegenwärtige UnsicherheitDie EZB-Volkswirte senkten nun ihre Erwartungen für das laufende Jahr von 1,7 % auf nur noch 1,1 %. Auch für 2020 reduzierten sie ihre Prognose, wenn auch nur geringfügig (siehe Grafik). Auf Inflationsseite sagen sie weiter einen kontinuierlichen Anstieg voraus, aber mit niedrigeren Raten. Für 2021 lautet die Prognose nun 1,6 % statt zuvor 1,8 %. Die EZB strebt mittelfristig einen Wert von unter, aber nahe 2 % an.”Die schwächeren Konjunkturdaten deuten auf eine erhebliche Verlangsamung des Wirtschaftswachstums hin, die sich in das aktuelle Jahr hinein fortsetzen wird”, sagte Draghi gestern. Er zeigte sich besorgt über die “allgegenwärtige Unsicherheit” und speziell die Gefahr des Protektionismus. Er betonte zudem, dass der EZB-Rat nach wie vor der Auffassung sei, dass die “Abwärtsrisiken” für die Wirtschaft dominieren. Zugleich sagte er aber, dass der EZB-Rat weiter an seinem Basisszenario festhalten und sich das Wachstum fortsetzen wird – wenn auch auf weniger stark. Das Risiko einer Rezession sei gering.Das schwächere Wachstum wirke sich auch auf die Inflationsaussichten aus, sagte Draghi. “Die schwächere wirtschaftliche Dynamik verlangsamt die Anpassung der Inflation in Richtung unseres Ziels”, sagte er. Gleichzeitig geht der EZB-Rat weiter von einem allmählich steigenden Inflationsdruck aus.Trotzdem reagierte der EZB-Rat gestern bereits und überraschte mit seinen Beschlüssen zumindest hinsichtlich des Zeitpunkts so manchen Beobachter. Die Euro-Hüter änderten ihren Zinsausblick (Forward Guidance) und kündigten neue Langfristkredite (TLTRO) für Banken an.Bislang hatte die EZB erklärt, dass die rekordniedrigen Leitzinsen bis “mindestens über den Sommer 2019” unverändert bleiben. Dieser Zeitraum wurde nun verlängert bis “mindestens über das Ende 2019”. Draghi wurde sogar noch deutlicher und sprach von Dezember versus September. Er sagte zudem, dass einige Ratsmitglieder sogar für März plädiert hätten. Der Leitzins liegt bei 0 %, der Einlagensatz bei -0,4 %.Zugleich beschloss der Rat neue TLTRO. Die Geldspritzen für Banken sollen eine Laufzeit von zwei Jahren haben und vierteljährlich ab September 2019 bis März 2021 ausgegeben werden. Ihr Zinssatz ist an den Leitzins gekoppelt. Die Laufzeit ist kürzer als die vier Jahre bei einer zweiten Runde solcher Kredite und der Zins ist variabel – was verhindern soll, dass Banken eine mögliche Zinserhöhung in dieser Zeit unterlaufen können. Banken im BlickDie Kredite sollen Liquiditätsengpässe verhindern, wenn die zweite Runde TLTRO mit mehr als 700 Mrd. Euro Volumen allmählich ausläuft. Vor allem Italiens Banken dürften profitieren. EZB-Chefvolkswirt Peter Praet hatte unlängst im Interview der Börsen-Zeitung gewarnt, dass die Banken mit einer zögerlichen Kreditvergabe die Abschwächung der Euro-Wirtschaft noch erheblich verstärken könnten (vgl. BZ vom 19. Februar).Draghi sagte, dass die Entscheidungen im EZB-Rat “einstimmig” gefallen seien. Bundesbankpräsident Jens Weidmann hatte sich zuletzt kritischer zu Änderungen am Zinsausblick und zu neuen TLTRO geäußert. Er dürfte aber auch mitgestimmt haben, weil die Guidance nur bis Jahresende ausgeweitet und bei den TLTRO ein variabler Zins beschlossen wurde. Draghi betonte mehrfach, dass der EZB-Rat weiterhin jederzeit bereit und in der Lage sei, falls nötig nachzulegen. Er verneinte aber die Frage, ob auch Helikoptergeld, also Geldgeschenke für alle, zum Instrumentenkasten gehöre.