EZB-Vize sieht Notenbank noch nicht am Ende ihres Lateins

De Guindos betont Handlungsbereitschaft, warnt aber vor Risiken - Stabilisierung der Euro-Wirtschaft

EZB-Vize sieht Notenbank noch nicht am Ende ihres Lateins

ms/fed Frankfurt – EZB-Vizepräsident Luis de Guindos sieht die Europäische Zentralbank (EZB) trotz Null- und Negativzinsen und einer massiv ausgeweiteten Notenbankbilanz noch längst nicht am Ende ihrer Möglichkeiten angekommen. Im Interview der Börsen-Zeitung bekräftigt er denn auch, dass die EZB nachlegen werde, falls die Wachstums- und Inflationsentwicklung das nötig mache. Zugleich betont er aber, dass die negativen Nebeneffekte der expansiven Geldpolitik immer stärker zutage träten und die Euro-Regierungen fiskalpolitisch entschlossener handeln sollten. In der Euro-Wirtschaft macht er derweil nach zwei Jahren anhaltender Abschwächung eine Stabilisierung aus.”Wir haben ganz sicher noch nicht unsere Grenzen erreicht. Wir können weiter handeln und wir werden weiter handeln, falls das nötig werden sollte”, sagt de Guindos, fügt jedoch hinzu: “Genauso offensichtlich ist aber eben auch, dass die negativen Nebeneffekte immer deutlicher werden.” Deswegen müsse die Fiskalpolitik “eine viel stärkere Rolle” spielen. Das gelte umso mehr, als die lockere Geldpolitik der Fiskalpolitik mehr Schlagkraft verleihe: “Im aktuellen Umfeld mit noch länger sehr niedrigen Zinsen ist die Wirkung der Fiskalpolitik auf die Konjunktur sehr viel stärker als sonst.”Mit seinen Aussagen untermauert de Guindos zum einen die generelle Bereitschaft der EZB zu einer weiteren Lockerung der Geldpolitik und widerspricht EZB-Ratskollegen wie Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann, der die Grenzen der EZB erreicht sieht. Zum anderen scheint er aber zu signalisieren, dass die Hürde für weitere Maßnahmen höher liegt als zuvor. Der EZB-Rat hatte Mitte September seine bereits sehr expansive Geldpolitik noch einmal deutlich gelockert und auch die Anleihekäufe (Quantitative Easing, QE) wieder aufgenommen.Der Spanier kündigt in dem Interview an, dass die EZB die aus ihrer Geldpolitik resultierenden Risiken künftig noch stärker in den Fokus nehmen werde: “Wir sind uns der Nebeneffekte unserer Geldpolitik sehr bewusst, und wir werden die Nebeneffekte in der Zukunft noch stärker ins Visier nehmen und ihnen noch mehr Aufmerksamkeit schenken.” Kritiker warnen etwa vor Risiken für die Finanzstabilität und einer “Zombifizierung” der Wirtschaft.Mit Blick auf die konjunkturelle Lage im Euroraum äußert sich de Guindos zuversichtlicher, als es die EZB zuletzt getan hat. “Im dritten und vierten Quartal sehen wir nun eine Stabilisierung”, sagt er etwa – und fügt hinzu: “Die Nachrichten sind jetzt etwas besser als noch vor zwei oder drei Monaten.” So sei etwa ein No-Deal-Brexit jetzt erst einmal vom Tisch, und die jüngste Annäherung zwischen den USA und China im Handelsstreit sei positiv.Die größte Gefahr sei derzeit, “dass das Wachstum über Jahre sehr niedrig und weit unterhalb der Potenzialrate bleibt”. Zugleich warnt de Guindos davor, dass sich die Inflationserwartungen wie im Jahr 2015 aus ihrer Verankerung im Bereich des EZB-Inflationsziels von knapp 2 % lösen könnten. “Das September-Paket war und ist die absolut richtige Entscheidung”, sagt er. Das Maßnahmenpaket werde “einen deutlich positiven Effekt” auf das Wachstum und die Inflation haben. – Interview Seite 7