EZB wirft Brüssel Schönfärberei vor

Prognosen zur Entwicklung der Alterungskosten in Europa zu optimistisch - "Bewegliche" Haushaltsziele

EZB wirft Brüssel Schönfärberei vor

Die EZB hat Brüssel wegen zu optimistischer Prognosen zur demografischen Belastung heftig kritisiert. Obendrein würden die zu rücksichtsvollen Haushaltsvorgaben die mittelfristigen Budgetziele in der Eurozone untergraben.lz Frankfurt – Die Europäische Zentralbank (EZB) hält die Annahmen des EU-Ausschusses für Wirtschaftspolitik zu den Kosten der demografischen Entwicklung für realitätsfern. Im neuesten Wirtschaftsbericht haben sich die EZB-Ökonomen den EU-Bericht deshalb kritisch angeschaut und zeigen sich über die gegenüber früheren Abschätzungen eher günstigeren Ergebnisse irritiert.Der neuen Prognose zufolge erhöhen sich die demografisch bedingten Kosten für die Staatskasse zwar deutlich von 26,8 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf 28,3 % im Jahr 2060, wobei es zwischen den einzelnen Ländern beträchtliche Unterschiede gibt (siehe Grafik). Doch wurde die Belastungsveränderung bis 2060 gegenüber dem Bericht aus dem Jahr 2012 “deutlich nach unten korrigiert” von 3,5 auf 1,5 Prozentpunkte. Die Abwärtskorrektur sei vor allem auf die günstigeren demografischen und makroökonomischen Annahmen zurückzuführen.Die EZB-Ökonomen hegen Zweifel, dass diese Annahmen tatsächlich eintreffen werden. So sei das Wachstum der totalen Faktorproduktivität (TFP) zu optimistisch angegeben, was sich auch historisch belegen lasse. Und auch die Annahmen zur Arbeitslosenentwicklung seien “nur plausibel, wenn tiefgreifende Arbeitsmarktreformen beschlossen werden”. Der Bericht gehe damit von der gängigen Praxis ab, wonach Projektionen auf der Grundlage von Annahmen ohne Politikwechsel erstellt werden müssten. Obendrein bestehe das Risiko, dass – entgegen den EU-Erwartungen – bereits umgesetzte Rentenreformen wieder rückgängig gemacht würden. Aber selbst auf der Basis der günstigeren Projektionen werde klar, dass weitere Reformen nötig seien, um den Kostenanstieg einzudämmen.Erschwerend kommt nach Meinung der EZB hinzu, dass dies vor dem Hintergrund einer zu wenig ehrgeizigen Haushaltspolitik geschieht. Bereits seit Jahren würden die mittelfristigen Haushaltsziele nicht in ausreichendem Umfang erfüllt. Und die EZB äußert Zweifel, dass die zuletzt angekündigte flexiblere Anwendung des Stabilitätspaktes durch die EU-Kommission daran viel ändern wird. Die EZB unkt über “bewegliche Ziele”.In der kommenden Woche wird der Europäische Rat auf der Basis der vorgelegten Stabilitätsprogramme Empfehlungen zur Finanzpolitik der einzelnen Mitgliedstaaten erlassen. Angesichts jüngster Lockerungen etwa im Hinblick auf Italien warnt die EZB vor einer Gefährdung der Schuldentragfähigkeit. Wenn es den Euro-Staaten nicht rechtzeitig gelinge, in ihren Staatshaushalten wieder ausreichende Puffer zu bilden, würden sie nicht gegen Phasen wirtschaftlicher Schocks gewappnet sein, warnt die EZB. Deshalb sollten die Euro-Länder die wirtschaftliche Erholung und die günstigen Finanzierungsbedingungen nutzen, um die mittelfristigen Haushaltsziele schneller zu erreichen.