Fed-Debatte spitzt sich zu
det Washington
Trotz eines unerwartet starken Rückgangs der Einzelhandelsumsätze schürt der robuste Anstieg der Industrieproduktion in den USA Hoffnungen, dass der Konjunkturaufschwung die jüngste Welle von Coronavirus-Erkrankungen überstehen wird. Unterdessen mehren sich auch die Zeichen dafür, dass weiter robustes Wachstum gepaart mit anhaltend hoher Inflation die Notenbank dazu veranlassen könnte, bereits im September einen Zeitplan für das Abschmelzen der Anleihekäufe bekannt zu geben.
Die weiter solide Erholung sowie zahlreiche Indikatoren hoher Inflation haben jedenfalls die Debatte darüber angeheizt, wann die Währungshüter anfangen werden, ihre Anleihekäufe zurückzufahren (Tapering). Wie US-Medien unter Berufung auf Quellen innerhalb der Fed berichten, stehen die Notenbankgouverneure kurz davor, einen entsprechenden Zeitplan bekannt zu geben, womöglich schon nach der September-Sitzung des Offenmarktausschusses (FOMC). Demnach könnte das Tapering Ende dieses Jahres beginnen und bis Mai 2022 abgeschlossen werden. Besondere Brisanz bekommt das Thema durch die in der kommenden Woche bevorstehende Notenbanker-Konferenz von Jackson Hole, von der sich Beobachter insbesondere von Fed-Chef Jerome Powell Signale für einen entsprechenden Zeitplan erhoffen.
Das FOMC hatte bereits bei der letzten Sitzung Ende Juli die Reduktion der monatlichen Anleihekäufe in Höhe von 120 Mrd. Dollar angesprochen. Zuletzt haben sich mehrere Fed-Gouverneure dafür ausgesprochen, den Beginn des Tapering vorzuziehen. Der stellvertretende Notenbankchef Richard Clarida ist der Auffassung, dass die Fed noch dieses Jahr einen Zeitplan bekannt geben sollte und ab 2023 auch den Leitzins wieder anheben sollte. Charles Evans, Präsident der Federal Reserve Bank von Chicago, erwartet, dass jene „signifikanten Fortschritte“ am Arbeitsmarkt, die Notenbankchef Powell als Voraussetzung für ein Zurückfahren der Anleihekäufe betrachtet, „noch dieses Jahr realisiert sein werden“. Powell betonte seinerseits, dass „der Arbeitsmarkt sich kräftig erholt hat und die Debatte über Tapering begonnen hat“. Noch ehrgeiziger ist Eric Rosengren, der den Fed-Ableger in Boston leitet. Er äußerte nun die Erwartung, dass bis zur September-Sitzung der Fed das Stellenwachstum Powells Kriterien erfüllt haben wird. Sofern die Delta-Variante des Coronavirus der Konjunktur nicht einen Dämpfer verpasse, so Rosengren, wäre der Weg frei für ein Abschmelzen der Anleihekäufe, mit dem noch im Herbst begonnen werden könnte.
Schwungvolle Industrie
An der Fortsetzung des kräftigen Aufschwungs dürfte auch ein leichter Dämpfer vonseiten der Einzelhändler nichts Grundlegendes ändern. Wie das Census Bureau des Handelsministeriums berichtete, gaben die saisonbereinigten Verkaufserlöse im Einzelhandel im Juli um 1,1% nach. Bankvolkswirte hatten ein Minus von 0,3% vorausgesagt. Im Juli hatten Einzelhandelsunternehmen ihre Umsätze um 0,7% steigern können. Ohne Berücksichtigung von Autos und Autoteilen sanken die Erlöse um 0,4%. Obwohl die Zahlen zunächst überraschten, geben die meisten Ökonomen Entwarnung. Gus Faucher, Chefvolkswirt bei der in Pittsburgh ansässigen PNC Bank, betonte, dass „die Aussichten für die weitere Entwicklung der Konsumausgaben ausgesprochen gut bleiben“. Er weist unter anderem darauf hin, dass die Umsätze im Vorjahresvergleich um 15,8% zulegten. Zu erwarten sei allerdings, dass eine zunehmende Verlagerung der Verbraucherausgaben von Waren auf Dienstleistungen zu beobachten sein wird, so Faucher.
Für eine angenehme Überraschung sorgte der sprunghafte Anstieg der Industrieproduktion. Wie die Fed berichtete, steigerten Industrieunternehmen im Juli ihre Fertigung um 0,9%. Vorausgesagt hatten Experten ein Plus von 0,4%. Im Juni hatte die Produktion um 0,2% zugelegt. Eine Wende war vor allem im verarbeitenden Gewerbe zu beobachten. Dort folgte auf einen Rückgang um 0,3% ein Anstieg um 1,4%. Ausschlaggebend waren Produktionssteigerungen in der Autoindustrie, wo Hersteller zuvor wegen der Halbleiterknappheit die Fertigung gekürzt hatten. Für Juli ermittelte die Fed in der Autoindustrie ein Plus von 11,2%. Diese machte die Hälfte des gesamten Anstiegs im verarbeitenden Gewerbe aus.